"Sie nehmen eher die Konsequenzen auf sich als sich zu offenbaren", sagte die Sozialwissenschaftlerin Marlis Winkler aus Syke bei Bremen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Armut werde verborgen, weil sie vielen peinlich sei: "Der erste Gang zum Amt ist ein ganz schwerer."
Scham sei für viele Menschen der Grund, nicht zum Amt zu gehen, erläuterte Winkler. "Sie sagen: Da kennt uns jeder, da sieht uns jeder." Sie fürchteten, dass ihre Armutssituation mit einem Schlag bekanntwerde.
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Am häufigsten rutschten Menschen durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung oder Scheidung in finanzielle Notlagen ab. Es könne jeden treffen, auch Akademiker. Vor allem auf dem Land besäßen viele ein eigenes Haus und könnten dann plötzlich die Raten für den Kredit nicht mehr zahlen. Oft sei die Immobilie selbst ein Grund, kein Hartz IV zu beantragen. "Die Angst, dass das Amt dann zugreift, ist sehr groß."
Die Expertin bezog sich auf eine Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, die Anfang der Woche bekanntgeworden war. Danach beantragen zwischen 3,1 und 4,9 Millionen Menschen in Deutschland keine Hartz-IV-Leistungen, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten.
Winkler hatte 2010 für das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Studie "Nähe, die beschämt - Armut auf dem Land" verfasst. Die Forscherin ist inzwischen Geschäftsführerin der Diakonischen Werke in den Kirchenkreisen Syke-Hoya und Grafschaft Diepholz bei Bremen.