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Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, wünscht sich von den Europäern mehr Toleranz. "Vielleicht lebten noch nie so viele Menschen so vieler Ethnien und so unterschiedlicher kulturell-religiöser Prägung in Europa auf engem Raum zusammen", sagte Schneider am Donnerstag auf dem traditionellen Johannisempfang der EKD in Berlin. Er forderte Christen dazu auf, sich auf der Grundlage ihres eigenen Glaubens für ein friedliches Zusammenleben zu engagieren.
Schneider ergänzte, es benötigte einen Begriffwechsel weg von der "Duldungs-Toleranz" zu einer "Respekt-Toleranz", und erteilte jeder Art von Fundamentalismus eine Absage. Dabei wandte sich der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten auch gegen eine absolute Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften. Die Forderung nach einem staatlich verordneten Laizismus fördere gerade nicht die "Respekt-Toleranz", sagte Schneider. "Leben mit dem bleibend Anderen können wir gerade nicht lernen, wenn wir die Suche nach Glaubenswahrheit und Glaubensgewissheit in die Hinterhöfe und private Zirkel verbannen", sagte Schneider.
Der Ratsvorsitzende forderte außerdem mehr Offenheit Europas an den Außengrenzen. Der Ausbau einer Festung Europa und unmenschlicher Umgang mit Flüchtlingen machten ein "Europa der Toleranz" zur Illusion, sagte er. Für Schutzsuchende müssten die Grenzen offen stehen, sagte Schneider. Zudem kritisierte er Kettenduldungen und dass Flüchtlinge davon abgehalten würden, einen Sprachkurs zu besuchen, eine Ausbildung zu machen oder arbeiten zu gehen.
Traditionelle Ehe "Leitbild, aber nicht die einzige Form"
In seiner Rede nahm Schneider auch Bezug auf das derzeit heftig diskutierte EKD-Familienpapier, das eine Förderung aller Formen des Zusammenlebens empfiehlt. Er unterstrich die Sicht der evangelischen Kirche, dass die Ehe ein "weltlich Ding" sei und nicht wie in der katholischen Kirche ein Sakrament. Die traditionelle lebenslange Ehe bleibe jedoch das Leitbild der evangelischen Kirche, sagte Schneider. Sie sei "aber nicht mehr die einzige Form, die auf Gottes Segen hoffen kann", ergänzte er und verteidigte damit die EKD-Schrift. Sie sei kein Kurswechsel, sondern ein Wechsel der Perspektive, unterstrich der Ratsvorsitzende.
Der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei Bundesregierung, Bundestag und EU richtet traditionell um den Johannistag (24. Juni) einen Empfang aus. Er startete am Donnerstag mit einem Gottesdienst in der Friedrichstadtkirche auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Zu den Gästen gehörten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und zahlreiche Bundestagsabgeordnete.