Benötigt würden ein nachhaltiges Konzept für eine Umverteilung von Vermögen sowie umgehende Reformen in der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Gerd Häuser, am Mittwoch im mecklenburgischen Neubrandenburg. Tafeln könnten und wollten keine sozialstaatlichen Leistungen ersetzen. Was die Tafeln verteilen, könne nur eine zusätzliche Hilfe sein. In Neubrandenburg kommen ab Donnerstag 800 Vertreter der 910 deutschen Tafeln zu ihrem dreitägigen 19. Bundestreffen zusammen.
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Die aktuelle soziale Lage sei beschämend, sagte Häuser. Dass Deutschland sozial so tief wie nie zuvor gespalten sei, verletze das Gerechtigkeitsempfinden einer breiten Mehrheit. Angesichts von über einer Million Menschen, die trotz Arbeitseinkommen Hartz-IV-Gelder in Anspruch nehmen müssen, sei es zynisch, wenn die Bundesregierung die Zunahme atypischer und prekärer Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und Niedriglöhne als Erfolg darstelle. Die ungleiche Verteilung von Wohlstand und damit von Chancen seien nicht hinnehmbar.
Die Rekord-Armut resultiere in erster Linie aus einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Benötigt würden armutsfeste Mindestlöhne und Mindestrenten, bedarfsgerechte Regelsätze sowie Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose. Auch müssten genügend kostenlose qualifizierte Kinderbetreuungsmöglichkeiten bereitgestellt und Programme beschlossen werden, die allen Menschen Teilhabe an Bildung und Kultur ermöglichen.
Gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln
Auch die Steuerpolitik müsse geändert werden. Einnahmen aus einem höheren Spitzensteuersatz, einer Vermögenssteuer für außerordentlich Wohlhabende sowie der Finanztransaktionssteuer könnten dazu verwendet werden, um den Sozialstaat und die Gesellschaft weiterzuentwickeln, sagte Häuser. Zudem plädiere der Verband für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln und wende sich entschieden gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln, Wasser, Wohnraum oder Land.
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Beim 19. Bundestreffen der Tafeln in Neubrandenburg sind von Donnerstag bis Samstag mehrere Fach- und Kulturveranstaltungen geplant. So soll unter anderem über die Frage diskutiert werden, welchen Beitrag bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement für die Tafeln leisten kann, um Armut zu lindern. Zudem geht es darum, welche Aufgaben staatliche Institutionen im Bereich der Daseinsfürsorge für arme oder von Armut bedrohte Menschen leisten müssen. Zu den Höhepunkten des Treffens zählen die festliche Abendveranstaltung am Freitag und die etwa 80 Meter "Lange Tafel" am Samstag auf dem Marktplatz von Neubrandenburg.
Die erste Tafel, bei der Arme gratis oder gegen einen symbolischen Obolus Lebensmittel erhalten, wurde vor 20 Jahren in Berlin gegründet. Allein in den vergangenen zwölf Monaten entstanden bundesweit 19 neue Tafeln. Rund 2,4 Millionen Euro wurden 2012 für die Tafelarbeit gespendet. Das entsprach dem Niveau des Vorjahres.