Die bisher in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Missbrauchsfälle insbesondere in Ahrensburg seien durch Interviews und Auswertung von Unterlagen "eindeutig bestätigt" worden, sagte der Hamburger Erziehungswissenschaftler Dirk Bange. Das Kommissions-Mitglied fügte hinzu, dass das Gremium das weitere Vorgehen bei der Aufarbeitung festgelegt und konkrete Problemfelder benannt habe. "Sexualisierte Gewalt" sei zum Beispiel vielfach immer noch ein Tabuthema in der Kirche.
Im Jahr 2010 war bekannt geworden, dass ein Pastor in Ahrensburg von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre mehrere Jugendliche sexuell missbraucht hatte. Infolge der Berichterstattung über den Missbrauch in der damaligen nordelbischen Kirche war auch die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen zurückgetreten.
Mit rund sechs Betroffenen in Ahrensburg habe man "erst eine überschaubare Anzahl von Personen interviewt", sagte Bange weiter. Bestätigt habe sich dabei, dass die Täter oft unter der "Maske der Fortschrittlichkeit und Liberalität" gehandelt hätten. Dabei hätten Pastoren oft ihre Machtposition missbraucht, oft auch mit dem "Angebot extrem großer Mengen von Alkohol". Dadurch sei die Widerstandsfähigkeit von Mädchen und Jungen gebrochen sowie Hemmschwellen abgebaut worden.
"Mit Schonungslosigkeit" einen Spiegel vorhalten
Die Kommission empfiehlt der Nordkirche allerdings schon jetzt, transparente und nachvollziehbare Regelungen zur Abgrenzung seelsorgerlicher und "anderer" Gespräche zu entwickeln. Dabei gehe es auch um die seelsorgerliche Schweigepflicht, die im Zweifelsfall ähnlich wie bei Ärzten hinter den Schutz des Wohls von Kindern, Jugendlichen und anderen Anvertrauten zurückzutreten habe.
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs dankte der Kommission für ihre Arbeit. Aufklärung sei nicht ohne auswärtige Experten möglich, sagte sie. Es gebe bei kirchlichen Mitarbeitern "einen Fleck des Nicht-Wahrhaben-Wollens". Dem müsse "mit Schonungslosigkeit ein Spiegel vorgehalten" werden - und das gehe nur von außen.
Anselm Kohn, Sprecher und Vorsitzender des Vereins "Missbrauch in Ahrensburg" kündigte an, dass sich sein Verein exakt drei Jahre nach Gründung am 22. Juni auflösen werde. Mit regelmäßigen Mahnwachen und öffentlichen Protesten habe man in dieser Zeit eine gewisse "Lautstärke" hergestellt und "Aufmerksamkeit gefunden", zuletzt auch beim Hamburger Kirchentag. Nun könne man "das Staffelholz weitergeben", etwa an die unabhängige Expertenkommission.