Nach der grausamen Ermordung eines britischen Soldaten in London haben die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Kirche von England gemeinsam dazu aufgerufen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Zugleich verurteilten die Spitzen beider Kirchen die Tat. Die Gesellschaft dürfe sich durch diese Attacke nicht spalten lassen, erklärte der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, am Freitag bei einem Treffen mit einer EKD-Delegation im britischen Leicester. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider nannte das Verbrechen eine "Tat von Kriminellen, die keinerlei Rechtfertigung in irgendeiner Religion finden kann. Wir hoffen und beten mit unseren englischen Partnern, dass die Gewalt keine weiteren Kreise zieht."
###mehr-artikel###Zwei mit Messern bewaffnete Angreifer hatten den Soldaten am Mittwoch im Londoner Stadtteil Woolwich auf offener Straße getötet. Die britische Regierung geht von einem Terrorakt aus. Die beiden mutmaßlichen Täter wurden bei ihrer Festnahme durch die Polizei verletzt. Sie liegen derzeit im Krankenhaus.
Welby rief seine Mitbürger zur Gefasstheit nach dem Attentat auf. Er hatte das Amt als oberster Repräsentant der anglikanischen Weltgemeinschaft mit rund 80 Millionen Mitgliedern im Frühjahr dieses Jahres als Nachfolger von Rowan Williams angetreten. Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider sagte, "unsere Gedanken und Gebete sind bei den Hinterbliebenen des Anschlags von Woolwich und bei unseren englischen Geschwistern". Er unterstrich zudem die Bedeutung des interreligiösen Dialogs: "Die Religionsgemeinschaften rufen alle Menschen guten Willens dazu auf, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Die Antwort auf den Schrecken von Woolwich ist: Wir setzen auf Gespräche, nicht auf Gewalt."
Forderung nach mehr Dialog
Schneider nahm am Freitag gemeinsam mit dem Erzbischof von Canterbury an einer ökumenischen Konferenz im Rahmen der sogenannten Meissen-Partnerschaft zwischen EKD und der Kirche von England teil. Im Mittelpunkt der diesjährigen Konsultation steht das Thema Religion und Toleranz sowie interreligiöses Engagement. "Die Partnerschaftsarbeit von Meissen ist ein Beispiel für gelingenden Dialog: Seit zwei Jahrzehnten praktizieren wir aktive Friedensarbeit", erklärte der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber, der der deutsche Co-Vorsitzende der Meissen-Kommission ist: "Das verbindende Element dabei ist sehr deutlich die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen, zum Beispiel durch Bildungsprojekte oder Jugendarbeit."
"In schwierigen Tagen wie diesen bewähren sich diese vertrauensvollen Kontakte", erklärte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge: "Die hier praktizierte Toleranz der Religionen ist für uns ein Modell. Wir müssen den interreligiösen Dialog in Deutschland intensivieren." In Leicester fanden unter anderem Gespräche mit Vertretern der Muslime statt. Rund 40 Prozent der Einwohner der mittelenglischen Stadt sind den Angaben zufolge Einwanderer.
In der Meissener Erklärung haben sich EKD und die anglikanische Kirche von England 1991 zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verpflichtet. Pfarrer können danach in der jeweils anderen Kirche predigen und Gläubige am jeweiligen Abendmahl teilnehmen. Im sächsischen Meißen begann die Annäherung der beiden Kirchen und gipfelte zunächst in der dort 1988 veröffentlichten "Gemeinsamen Feststellung". 1991 wurde dann die Meissener Erklärung verabschiedet.