Graugrün schimmert in der Frühlingssonne die Außenhaut des streng anmutenden Gebäudes am Warschauer Platz der Ghettohelden. Wer sich dem spektakulären Bau nähert, kann auf den Glasfassaden ineinander verschlungene Buchstaben erkennen. "Es sind die polnischen und hebräischen Worte für "Polen" sagt Dorota Keller-Zalewska, Vize-Direktorin des neuen Museums der Geschichte der Juden in Polen. Polen heißt auf Hebräisch "Po lin", was etwa "hier darf ich ausruhen" bedeutet. Dies ist auch Konzept des neuen Jüdischen Museums, das sich am 20. April nach gut fünf Jahren Bauzeit für Besucher öffnet.
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Der Auschwitz-Überlebende Marian Turski, einer der Initiatoren des Projektes, nannte es ein "Museum der Anwesenheit" - als Kontrast zu zahlreichen Gedenkstätten, die die Vernichtung der Juden durch das nationalsozialistische Deutschland thematisieren. Von den 3,3 Millionen Juden, die 1939 in Polen wohnten, überlebten nur wenige den Massenmord.
Ausgeklammert wird der Holocaust in dem neuen Museum allerdings nicht. Schon der Standort lässt dies nicht zu: Befindet sich der Neubau doch auf dem Gelände des ehemaligen Warschauer Ghettos, direkt gegenüber dem Denkmal, das an den Aufstand der jüdischen Ghettobewohner erinnert, der vor genau 70 Jahren am 19. April 1943 begann. Bis zum 16. Mai, der Niederschlagung des Aufstandes durch die deutschen Besatzer, organisiert das Museum Filmvorführungen, Theater- und Konzertabende, Stadtspaziergänge und Diskussionsveranstaltungen. Eine erste Einzelausstellung zeigt ab Mitte Mai historische Amateurfilme über den jüdischen Alltag in der Zwischenkriegszeit.
Holocaust-Bezüge in der Architektur
Das Thema Vernichtung nimmt auch die Museumsarchitektur auf. Eine symbolischer Riss aus wellenförmigen Beton durch den Baukubus, der durch eine Glaswand von außen einsehbar ist, erinnert an den Bruch in der jahrhundertealten Geschichte der Juden in Polen. "Dieser Bruch trennt jedoch beide Teile nicht voneinander ab, sondern ist mit einer Brücke verbunden", erläutert Keller-Zalewska das Konzept der finnischen Architekten Rainer Mahlamäki und Ilmari Lahdelma.
Aber auch das Museum selbst soll als Brücke dienen. Polen können den jüdischen Teil ihrer Geschichte kennenlernen. Nicht zuletzt jüdische Kulturfestivals signalisieren ein wachsendes Interesse. Bislang erfährt das Museumsprojekt in den polnischen Medien viel positive Resonanz. Jüdische Besucher erfahren von ihren Wurzeln - etwa 70 Prozent der weltweit 14 Millionen Juden haben polnischen Vorfahren.
Das Museum, das von der "Vereinigung des Jüdischen Historischen Instituts", der Stadt Warschau und dem polnischen Kulturministerium getragen wird, zeigt allerdings einen klar säkularen Charakter: dass am Samstag viele Polen Zeit für einen Besuch haben, ist der Museumsleitung wichtiger, als den Sabbat als jüdischen Ruhetag einzuhalten.
Hauptausstellung ab 2014 zugänglich
Das Kernstück des Museums - die Hauptausstellung - ist erst ab Anfang 2014 für die Öffentlichkeit zugänglich. In zwei Untergeschossen wird dann auf 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche und anhand von acht Stationen die jahrhundertealte Geschichte jüdischen Lebens in Polen erzählt. Der Bogen spannt sich von den ersten Juden im Königreich Polen im Mittelalter über die jüdische Stadtkultur, das Schtetl, bis zur Auseinandersetzung mit der Moderne, von Repressionen über erste Auswanderungswellen bis zur Vernichtung der Juden unter der deutschen Besatzung und dem Neuanfang im Nachkriegspolen.
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Bereits heute sichtbar ist der filigrane Nachbau der Decke einer Holzsynagoge aus dem 17. Jahrhundert, der Blütezeit der jüdischen Diaspora in Polen. Das prachtvolle Deckenmosaik wurde von Helfern nach althergebrachten Handwerksmethoden anhand von Fotos und Zeichnungen originalgetreu rekonstruiert. "Nicht die Exponate stehen hier im Vordergrund, wir wollen vielmehr Prozesse kreieren, wollen zeigen, wie etwas entstanden ist", erläutert Programmdirektorin Barbara Kirshenblatt-Gimblett. Die Professorin aus New York ist die Tochter polnischer Juden, die 1942 vor dem Holocaust nach Kanada geflohen sind. Über vier Jahrzehnte hinweg habe sie ihren Vater über seine Erlebnisse in Polen befragt. Dieses Konzept des Dialogs präge auch die interaktive multimediale Ausstellung.