Die Straßburger Volksvertretung stimmte am Dienstag mit schmaler Mehrheit gegen den Markteingriff. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, 900 Millionen Zertifikate für mehrere Jahre vom Markt zu nehmen. Auf diese Weise wäre der Preis gestiegen, den die europäische Industrie für Umweltverschmutzung zahlen muss.
Die Verschmutzungsrechte sind derzeit billig zu haben, weil die Industrie in der Wirtschaftskrise die Produktion gedrosselt hatte. Umweltorganisationen kritisieren auch, dass die Zertifikate von Anfang an zu großzügig an die Konzerne verteilt worden seien, und dass das System große Schlupflöcher enthalte. Zuletzt war der Zertifikate-Preis auf unter fünf Euro gerutscht. Die EU-Kommission hatte dagegen ursprünglich mit einem Preis von 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid gerechnet.
Wenig Anreize für Investitionen in CO2-arme Technologie
Das Emissionshandels-System ist das Herzstück der europäischen Klimaschutzpolitik. Entsprechend vehement versucht die EU-Kommission zu verhindern, dass das System wegen niedriger Zertifikate-Preise wirkungslos wird. Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard betonte nach der Abstimmung, das letzte Wort in der Frage sei noch nicht gesprochen. Die Reform sei nicht endgültig abgelehnt, sondern in den zuständigen Parlamentsausschuss zurückverwiesen: "Wir werden nun über die nächsten Schritte reflektieren, um für Europa ein starkes Emissionshandelssystem zu garantieren", sagte sie.
Die Gegner der künstlichen Verknappung - des sogenannten backloading - finden sich vor allem in den Reihen der Christdemokraten und Liberalen. "Es ist richtig, nicht in ein marktwirtschaftliches Handelssystem einzugreifen", erläuterte der Industriepolitiker Herbert Reul (CDU). Alle Marktteilnehmer müssten sich darauf verlassen können, dass die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage entstehe. Der FDP-Abgeordnete Holger Krahmer wandte sich gegen "europäische Insellösungen", die das "ohnehin schon hohe Risiko der Abwanderung von Industrie" weiter erhöhten.
Umweltorganisationen zeigten sich dagegen entsetzt. Es gebe wegen der niedrigen Zertifikate-Preise kaum noch Anreize, in CO2-arme Technologien zu investieren, erklärten Greenpeace und WWF. Sie machten den deutschen Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) mitverantwortlich für die Entscheidung des Europaparlaments. Auch Kirchen und kirchliche Hilfsorganisationen hatten sich vor der Straßburger Abstimmung öffentlich für die Verknappung der Verschmutzungsrechte ausgesprochen.