Denn die Kirche bringe Gleichgesinnte zusammen, die Rituale pflegten und in der Krise zusammenhielten. "Die Suche nach Orientierung ist massiv, auch in der Wirtschaft", betonte der 63-Jährige in einem Gespräch mit dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung zum Thema "Ist der Markt ein Gott?".
Jung mahnte, dass die Suche nach Orientierung nicht zur Flucht in ein "vermeintlich klar definiertes Wertesystem" werden dürfe. "Das kann nämlich dazu führen, in zwei Welten zu leben - in der frommen Welt und in der anderen Welt, zu der auch der Markt gehört", erläuterte der 53-jährige evangelische Theologe. "Dann fallen Handeln und ethische Orientierung auseinander; dann höre ich in der frommen Welt die Predigt, handele aber in der anderen Welt überhaupt nicht danach."
Kirchenpräsident: "Wir überhöhen die Rolle des Wachstums"
Der Kirchenpräsident kritisierte eine einseitige Ausrichtung auf Wachstum in der Wirtschaft. "Wir überhöhen die Rolle des Wachstums. Und immer auf der Grundlage einer einzigen Größe, des Bruttoinlandsprodukts." Es gehe dabei nie um die Qualität, sondern nur um die Quantität des Wachstums. "Quantitativ erhöht auch die Arbeit einer Sondermülldeponie das Bruttoinlandsprodukt, obwohl sie eine Folge von giftiger Industrieproduktion ist."
Steffens warf Jung vor, aus der Sicht einer reichen Gesellschaft zu argumentieren, "in der die meisten Menschen ihre wichtigsten Bedürfnisse befriedigt haben: Sicherheit, Nahrung, Gesundheit und ein Dach über den Kopf". Die Kirche müsse aber anerkennen, dass auch quantitatives Wachstum der Schlüssel zu mehr Freiheit sei. Zugleich räumte der Ökonom ein, dass Wachstum nicht zum "Fetisch" erhoben werden dürfe. Eine Gesellschaft sollte es auch verkraften können, wenn die Wirtschaft einmal um fünf bis zehn Prozent schrumpfe.