Wie kam es zu Ihrem Buchprojekt "Wer’s glaubt, wird selig"?
Jonas Bedford-Strohm: Das Christentum, den Glauben meines Vaters, habe ich mein ganzes Leben zweifelnd begleitet. Damit ich in meiner persönlichen Suche weiter komme, habe ich jetzt meine ganzen Fragen von meinem Vater beantwortet gebraucht. Die konkrete Idee zu dem Buch hatte ich.
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Mein Vater und ich haben schon immer über vieles diskutiert, aber bisher nie in einer so organisierten Art und Weise wie für das Buch. Eines Nachts, als ich nicht schlafen konnte, habe ich meine ganzen kritischen Fragen an die Kirche und an den Glauben meines Vaters aufgeschrieben und habe gemerkt, dass daraus auch für andere Menschen, vor allem für junge Leute, ein interessantes Projekt werden könnte.
Denn Jugendliche haben kaum Zugang zu den "harten Themen“ des Christentums, verpackt in einer kritisch-zeitgemäßen Sprache. Deswegen haben wir entschieden, absolute Grundsatzthemen des Christentums zu behandeln - Gott, Christus, Kirche, solche Basis-Themen, die wirklich manchmal sehr harter Tobak sind, auch für Theologie-Studenten oder Theologen.
Für mich ist es ein Prozess, ich kann nicht sagen: Vor der Arbeit an dem Buch war ich ungläubig und heute bin ich gläubig. So ist es auf keinen Fall. Aber ich habe durch die Gespräche mit meinem Vater viel gelernt, und es hat auch dazu geführt, dass ich jetzt Theologie studiere.
In unserer Multi-Optionsgesellschaft haben wir unglaublich viele Chancen
Sie beschreiben in dem Vorwort die Anforderungen, die an Ihre Generation gestellt werden: "Wir sollen alles in kürzerer Zeit schneller, besser und effizienter machen", ein "Dilemma", schreiben Sie.
Bedford-Strohm: Ja, wir betreiben von Anfang an biografisches Selbstmanagement, wir haben unglaublich viele Chancen im Leben und gerade deshalb glaube ich, ist es wichtig, dass es in unserer Multi-Optionsgesellschaft Orientierungspunkte gibt.
Sprechen Sie denn mit Ihren Freunden über Themen wie Kirche, Glaube, Gott?
Bedford-Strohm: Ich erlebe ein starkes Interesse an diesen Fragen, aber die Mode ist antikirchlich, in vieler Hinsicht sehr säkular und rationalistisch. Mit dieser kritisch-distanzierten Methode, die man als kleines Kind schon antrainiert bekommt, ist es sehr schwierig für einen Jugendlichen, sich für solche Fragen zu öffnen. Deswegen kommen häufig in den Situationen, in denen man sich unbeobachtet fühlt, in denen ein besonderes Vertrauensverhältnis entsteht - da kommen diese intimen Themen zur Sprache. Häufig entstehen die Gespräche in den skurrilsten Situationen: Zum Beispiel abends beim Weggehen, nach dem dritten Bier, oder in der Schlange vor der Garderobe auf einer Party.
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Da wäre es manchmal bequemer, wenn ich auf die Frage nach meinem Studium "Jura“ oder "BWL“ sagen könnte. Bei "Theologie“ werde ich oft angeschaut wie ein Alien. Wenn ich erzähle, warum ich Theologie studiere, öffnen sich plötzlich die Menschen. Das ist eine interessante Dynamik. Häufig kommen auch kritische Fragen, vor allem sehr institutionskritische Fragen. Als Theologiestudent werde ich dann als der Vertreter der Kirche, des Christentums und des Glaubens schlechthin behandelt. Das ist manchmal etwas überfordernd. Aber es entstehen immer interessante Gespräche, auch wenn ich manchmal in Positionen komme, in denen ich Dinge verteidigen soll, denen ich selbst kritisch gegenüber stehe.
Womit erklären Sie diese "Uncoolness", sich mit Glaube und Kirche auseinander zu setzen?
Bedford-Strohm: Ich glaube, die Kirche hat in der Vergangenheit vielen Menschen sehr weh getan und es gibt genügend Menschen, die guten Grund haben, sehr kritisch gegenüber der Kirche zu sein. Ich glaube auch, dass in der Amtskirche in Deutschland viel zu verbessern ist, und dass sich die Kirche in vieler Hinsicht eher der Vergangenheit verschrieben hat, als der Gestaltung der Zukunft.
Hoffentlich kann ich durch das Buch einer Reihe von Menschen helfen, den Mut zu finden, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen – zum Beispiel, dass die Institution Kirche nicht gleichzusetzen ist mit dem christlichen Glauben. Man darf sich nicht davon abschrecken lassen, dass es in der Kirche Missstände gibt. Manche Jugendliche sollten ihre überkritische Haltung über Bord werfen und sich damit beschäftigen, bevor sie Kritik üben. Das ist für mich eine Demutserfahrung gewesen: Dass ich mich mit dem Thema erstmal auseinandersetzen muss, bevor ich radikalkritische Fragen stelle.
In dem Kapitel über Jesus beschreiben Sie unter anderem die Angst, vielleicht auf einen obskuren Personenkult hereinzufallen, den jemand vor zweitausend Jahren gestartet hat: "Was, wenn das Christentum doch nur irgendeine Sekte ist?" – Haben Sie das inzwischen für sich beantworten können?
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Bedford-Strohm: Das kann ich insofern beantworten, dass ich keine Angst mehr davor habe, Mitglied in der Kirche zu sein, und ich habe keine Angst mehr davor, mich mit diesen Themen ernsthaft auseinander zu setzen – gerade weil ich das Gefühl habe, dass es eben kein blinder Personenkult ist. Wenn sich so eine Tradition über Jahrtausende bewahrt, dann ist das allein schon ein Indiz für die Ausstrahlungskraft dieser Idee. Ich versuche, mir nicht von irgendwelchen fundamentalistischen Spinnern meinen Zugang zum christlichen Glauben verschließen zu lassen. Da haben mir auch die ersten Semester im wissenschaftlichen Theologie-Studium die Angst genommen, mich persönlich-spirituell näher mit dem Glauben zu beschäftigen.
Was nehmen Sie persönlich mit aus der Arbeit an dem Buch?
Bedford-Strohm: Zum einen das Inhaltliche: Viele Fragen sind für mich auf eine völlig neue Stufe gekommen, weil ich plötzlich eine andere Perspektive bekommen habe. Zum Beispiel beim Kirchenverständnis, da bin ich jetzt sensibilisiert für Unterschiede, die man als Laie nicht wahrnimmt.
Es war immer klar: Da sprechen vor allem Vater und Sohn
Daneben hat mich die Arbeit an diesem Buch auch meinem Vater näher gebracht. Das sind intensive Themen, über die wir uns da unterhalten haben. Es hat mich sehr beeindruckt, wie sich mein Vater ohne Angst diesen ganzen Fragen gestellt hat, die teilweise sehr kritisch sind. Ich frage ihn zum Beispiel an der einen Stelle, wie er rechtfertigen kann, dass er einen Dienstwagen fährt. Mich haben diese Themen interessiert und ich wollte Antworten von meinem Vater hören, nicht von irgendjemandem, sondern von meinem Vater. Weil ich die Welt von meinem Vater verstehen wollte. Es war also immer klar, dass da vor allem Vater und Sohn miteinander sprechen. Und trotzdem: Wenn mein Vater nicht Bischof oder Theologe wäre, dann gäbe es dieses Buch nicht.
Hat sich das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Vater verändert?
Bedford-Strohm: Auf jeden Fall. Es ist eine sehr persönliche Erfahrung, zu merken, dass sich der eigene Vater auch da, wo es vielleicht ein bisschen weh tut, den Fragen stellt und diese Offenheit für meine Perspektive gezeigt hat. Es war immer eine Gesprächsatmosphäre, die mir das Gefühl gegeben hat, dass wir beide voneinander lernen und auf Augenhöhe miteinander sprechen. Das war sehr bereichernd für mich. Ich glaube, dass nun viele neue Fragen entstehen, auch durch mein Studium - der Austausch geht weiter.