"Die Gretchenfrage an den neuen Papst lautet: Wie hältst Du's mit Reformen?" erklärte der Ökumene-Experte am Donnerstag in Tübingen auf Anfrage des Evangelischen Pressedienst (epd). Küng: "Führt er endlich die Reformen in der Kirche durch, die sich über Jahrzehnte unter seinen Vorgängern angestaut haben? Oder soll es im Grunde so weitergehen wie bisher?"
Die Konsequenzen seien offenkundig: "Wenn der Papst Reformen anpackt, findet er breite Zustimmung weit über die katholische Kirche hinaus", fügte Küng hinzu. Wenn er aber weitermache wie bisher, werde der Ruf "Empört euch! Indignez-vous!" mehr und mehr auch in der katholischen Kirche erschallen und Reformen von unten provozieren, "auch ohne Billigung durch die Hierarchie und oft sogar gegen die Vereitelungsversuche der Hierarchie", sagte der Tübinger Theologe und Kirchenkritiker, dem Ende 1979 die katholische Lehrerlaubnis entzogen worden war und der am 19. März 85 Jahre alt wird.
Bereits vor dem Konklave hatte der Theologe und Gründer der Stiftung Weltethos eine Altersbegrenzung von 75 Jahren im Papstamt gefordert, wie es bei Bischöfen schon heute gelte. "Es ist nicht einzusehen, warum der Bischof von Rom ausgenommen werden soll", hatte Küng erklärt. Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, der am Mittwoch im fünften Wahlgang des Konklaves in Rom zum Nachfolger von Benedikt XVI. gewählt worden war, ist 76 Jahre alt.