In Syrien ist kein Frieden in Sicht

Syrischer Teenager nach einem Raketenangriff bei Aleppo.
Foto: dpa/Bruno Gallardo
Syrischer Teenager nach einem Raketenangriff bei Aleppo.
In Syrien ist kein Frieden in Sicht
Hinter den Fronten des syrischen Bürgerkrieges tobt ein zweiter Kampf: Religiöse Hardliner verstärken ihren Einfluss im Lager der Rebellen. In Aleppo gewinnen Islamisten Sympathien in der Bevölkerung, weil sie Brot an Bedürftige verteilen.
15.03.2013
epd
Agnes Tandler

Nach Ägypten, Tunesien und Libyen erfasste der Funke des Protests auch Syrien. Am 15. März 2011 gingen erstmals Hunderte Menschen auf die Straße, in der Stadt Dara im Süden des Landes, der Anfang eines Volksaufstands. Was als friedliche Bürgerbewegung gegen Präsident Baschar al-Assad begann, hat sich in einen schmutzigen Krieg verwandelt. Mit so vielen Fronten, überlagernden Interessen und Beteiligten, dass die Hoffnung auf ein rasches Ende in weite Ferne gerückt ist.

Mehr als 70.000 Menschen wurden getötet, wie die Vereinten Nationen schätzen. Die Zahl der Flüchtlinge stieg auf eine Million Männer, Frauen und Kinder. Jeden Tag verlassen um die 5.000 Menschen das kriegsgeschüttelte Land. Unterschiedliche Rebellengruppen kämpfen gegen das Assad-Regime. "Der Konflikt ist offen sektiererisch geworden", sagt der brasilianische Diplomat Paulo Pinheiro, der für die UN Menschenrechtsverletzungen in Syrien untersuchte. Kein Zweifel, dass der Krieg zunehmend entlang ethnisch-religiöser Linien geführt wird.

Ringen um die ideologische Hoheit über den Widerstand

Hinter den Fronten tobt inzwischen noch ein anderer Kampf: Die bewaffnete Opposition ringt um die ideologische Hoheit über den Widerstand. Es geht darum, wer den Ton in einem Syrien nach Assad angeben soll. In den vergangenen Monaten gewann die Dschabhat al-Nusra, eine radikal-islamische Gruppe, die auf der US-Terrorliste steht, stark an Einfluss. Ihr Ziel ist ein kompromisslos islamischer Staat mit strengem Scharia-Recht - eine Aussicht, die nicht nur liberalen Kräften, sondern auch den religiösen Minderheiten in Syrien Angst macht.

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Die 21 Millionen Syrer gehören unterschiedlichen Glaubensrichtungen an. Die meisten sind sunnitische Muslime. Doch die Regierung wird von Alawiten und Christen dominiert. Präsident Assad ist selbst Alawit. Für extremistische Rebellengruppen wie Al-Nusra, die dem Terrornetzwerk Al Kaida nahestehen, gelten Alawiten als Ungläubige. Die neue Dominanz der radikalen Al-Nusra in der Opposition löst auch im Westen Besorgnis aus. Die Gruppe ist offensichtlich finanziell gut ausgestattet und straff organisiert.

Westliche Staaten wie die USA und Großbritannien haben begonnen, die Aufständischen in Syrien mit Ausrüstung auszustatten, um moderatere Gruppen zu stärken. Auch Frankreich hat sich dazu entschlossen. Offizielle Waffenlieferungen an syrische Rebellen gibt es noch nicht. Der britische Premier James Cameron hat aber bereits angekündigt, ab Mai Waffen an die Rebellen zu liefern, auch wenn die EU ihr Waffenembargo nicht aufhebt.

Ob die Rechung wirklich aufgeht, ist jedoch ungewiss. Kritiker wenden ein, dass es den über 100 verschiedenen Rebellengruppen in Syrien nicht an Waffen mangelt und dass angesichts der unübersichtlichen Situation nicht klar ist, wer von Rüstungslieferungen am Ende profitiert. Deutschland lehnt Waffenhilfe ab, aus Furcht, das könnte ein Wettrüsten auslösen.

Für die Christen und Alawiten wird es enger

Der Kampf zwischen der bewaffneten Opposition und den Pro-Assad-Kräften hat inzwischen auch den Nordwesten Syriens erfasst. In den Bergen, wo der Name der Dschabhat al-Nusra vor ein paar Monaten nur ein fernes Schreckgespenst war, haben Rebellengruppen ihre Operationen ausgeweitet. Ihr Ziel ist Latakia und weiter südlich Tartus, der Streifen an der Mittelmeerküste, der noch von der Assad-Regierung kontrolliert wird. Das bergige Hinterland von Tartus und Latakia blickt auf eine lange Tradition religiöser Koexistenz zurück: Kurden, Christen und Alawiten siedeln hier seit Hunderten von Jahren.

Doch auch hier hat der Kampf um das Schicksal Syriens begonnen. Der maronitische Bischof von Latakia, Elias Sleiman, klagt: "Islamistische Milizen und kriminelle Banden nutzen diese instabile Lage aus." Christen würden gekidnappt und von fundamentalistischen Terrorgruppen bedroht. "Die radikalen Islamisten wollen einen Krieg zwischen den Religionen entfachen."

In Aleppo, der größten und stark umkämpften Stadt Syriens, verteilt Al-Nusra inzwischen auch Lebensmittel an die Bürger und betreibt Bäckereien. In einem Land, in dem Menschen täglich lange nach Brot anstehen müssen, gewinnen die Radikalen damit Sympathien - zumindest bei den Sunniten. Die Not ist groß. Vier von zehn Syrern leben von der Landwirtschaft, die massiv eingebrochen ist. Bewässerungsanlagen sind zerstört, die Ernten von Getreide, Gemüse und Obst haben sich halbiert.