Die Mindestlohn-Debatte nimmt weiter Fahrt auf. Führende CDU-Politiker zeigten sich am Wochenende zuversichtlich, dass sich die schwarz-gelbe Koalition vor der Bundestagswahl im Herbst auf ein Modell einigt. Auch die FDP signalisierte erneut Gesprächsbereitschaft. Gegenüber der Opposition bleibt Schwarz-Gelb aber hart: Ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn, wie ihn SPD, Grüne und Gewerkschaften wollen, komme nicht in Frage. DGB-Chef Michael Sommer hält dennoch einen Kompromiss von SPD und CDU für möglich.Nach den Worten von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dreht sich die Debatte "nicht mehr darum, ob wir Mindestlöhne brauchen, sondern um das Wie". Es gebe jetzt die Chance, dass Union und FDP vor der Bundestagswahl ein gemeinsames Mindestlohnmodell beschließen, sagte sie dem Magazin "Focus". Die Spitzen von Union und FDP werden vermutlich Anfang März im Koalitionsausschuss über das Thema beraten.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle skizzierte erneut die Linie eines möglichen Kompromisses in der Koalition auf Basis des Mindestarbeitsbedingungengesetzes. Danach können Mindestlöhne eingeführt werden, wenn es in einer Branche "soziale Verwerfungen" gibt. Zuständig wäre der "Mindestlohn-Ausschuss" unter Vorsitz des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi (SPD). Dohnanyi hält es grundsätzlich für möglich, dass sein Gremium die Lohnfindung übernimmt, wenn kein Tarifvertrag zustande kommt, wie er der "Wirtschaftswoche" sagte. Brüderle schlug im "Tagesspiegel am Sonntag" vor, neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch unabhängige Fachleute in den Hauptausschuss zu berufen, dann sollte "die Entscheidung eines solchen Gremiums über jeden Einfluss erhaben sein".
Von der Leyen lehnt SPD-Vorschlag ab
Den Vorschlag der SPD für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen von 8,50 Euro lehnte von der Leyen am Wochenende ebenso ab wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und CDU-Vize Julia Klöckner. Laut Brüderle ist sich die Koalition in der Ablehnung eines einheitlichen gesetzliches Mindestlohns einig. Die Union strebt nach Regionen und Branchen unterschiedliche Mindestlöhne an, die nur für Beschäftigte ohne Tarifvertrag gelten sollen. Die Höhe soll von einer paritätisch besetzten Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaftern festgelegt werden. Dagegen plädiert der Chef der CDU-Arbeitnehmerorganisation CDA, Karl-Josef Laumann, für eine "einheitliche und verbindliche Lohnuntergrenze" mit nur wenigen begründeten Ausnahmefällen. Als Richtschnur für die Höhe nannte er im "Spiegel" den Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche von 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten.
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner zeigte sich offen für einen Kompromiss mit der Union. Nötig seien aber regionale Unterschiede und Öffnungsklauseln für Auszubildende und Langzeitarbeitslose, außerdem müssten die Tarifpartner über die Höhe der Mindestlöhne entscheiden und nicht die Politik, sagte Lindner der "Welt am Sonntag". Dessen ungeachtet setzt der DGB-Vorsitzende Sommer auf einen Kompromiss von SPD und CDU. Der Mindeststandard müsse ein gesetzlich festgelegter flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro sein, der danach durch die Tarifpartner weiter angepasst werden könne, forderte Sommer in der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag).
"Nerv der Menschen"
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, begrüßte die Diskussion. Sie treffe "den Nerv der Menschen, dass jeder von seiner Arbeit leben können sollte", sagte er der "Welt am Sonntag". Der Mindestlohn dürfe nicht zu hoch sein, sonst koste er Arbeitsplätze, und nicht zu niedrig, sonst habe er kaum Wirkung. Sieben von SPD und Grünen geführte Bundesländer wollen am 1. März einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen, der einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro vorsieht.