"Dass wir an der Bernauer Straße heute noch relevante Mauerreste sehen können", sei das Verdienst Manfred Fischers, unterstreicht Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD). Zu Ehren des Pfarrers findet an diesem Samstag eine Tagung statt, die Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eröffnen wird. Fischer geht in den Ruhestand.
"Das war hier das Ende der Welt", sagt der Pfarrer über seine West-Berliner Versöhnungsgemeinde. Seit 1961 zerschnitt die Mauer ihr Gebiet. Die eigene neogotische Kirche an der Bernauer Straße, wo die Menschen nach dem Mauerbau aus den Fenstern ihrer Häuser in die Freiheit sprangen, stand plötzlich im Todesstreifen.
"Damals wollte niemand hier hin", erinnert sich Fischer. "Ich hätte mir aber nicht träumen lassen, dass ich es fast 40 Jahre aushalte." Erst wollte der evangelische Theologe seine Weddinger Gemeinde nach der begonnenen Kahlschlagsanierung in dem Viertel nicht alleine lassen. "Und nach dem Mauerfall wäre es absurd gewesen, gerade von diesem Ort wegzugehen."
Die Mauer musste weg - aus den Köpfen
Als einer der Ersten erkannte Fischer Ende 1989, wie kurzsichtig es wäre, alle Spuren zu beseitigen. "Natürlich musste die Mauer weg, das war doch klar." Aber das viel größere Problem sei gewesen, sie aus den Köpfen verschwinden zu lassen. "Da war es wichtig, dass ein Stück stehen bleibt." Alles andere hätte Verdrängung bedeutet. "Aus der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit haben wir doch gelernt, nicht einfach zu sagen, es ist alles vorbei und weiter geht's."
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Nicht überall stieß Fischers Engagement auf Gegenliebe. Bei der Bundesregierung und dem Senat fand er Gehör, aber auch nicht überall. Aus der eigenen Kirche schlug ihm sogar wüster Protest entgegen, sein Amtskollege von der Sophiengemeinde jenseits der brüchig gewordenen Mauer trommelte mit aller Verve dagegen. Der Pfarrer der Sophiengemeinde ließ sogar Teile der mittlerweile unter Denkmalschutz gestellten Mauer abreißen.
Bezirks- und Senatspolitiker wiederum favorisierten einen mehrspurigen Ausbau der Bernauer Straße. "Und manche in der CDU sagten: Wir haben doch schon am Checkpoint Charlie ein Mauermuseum", sagt Fischer. Von dem einst mehreren hundert Meter langen Mauerstück sind heute gerade einmal 70 Meter im Originalzustand übrig.
Die Kirche wurde gesprengt und durch eine Kapelle ersetzt
Als sich zum 50. Jahrestag des Mauerbaus 2011 die komplette Staatsspitze an der weitgehend fertiggestellten Gedenkstätte einfand, war das für deren Mitinitiator dennoch eine späte Genugtuung. Dass manche heute gern mehr von der Mauer zurück hätten, sieht Fischer als Krokodilstränen an: "Ich wollte nichts für den Tourismus tun, wohl aber für die Gedenkkultur." Zentral hierfür ist die Kapelle der Versöhnung mit regelmäßigen Andachten für die Mauertoten. Fischer habe damit den Menschen einen Ort gegeben, an dem sie auch über erlittenes Unrecht sprechen können, hebt der Berliner Bischof Markus Dröge hervor.
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Die Kapelle steht just am Ort der 1985 vom SED-Regime gesprengten Kirche. Fischer vernahm die Nachricht davon bei einem USA-Aufenthalt. Überrascht war er nicht. Auf Bitten der Kirchenleitungen in beiden Teilen der Stadt hatte die Gemeinde das Grundstück für den nicht mehr nutzbaren Sakralbau mitten im Todesstreifen an die DDR-Behörden abgetreten. Im Gegenzug war der Neubau einer evangelischen Kirche im Ost-Berliner Neubauviertel Marzahn zugesagt worden.
Die Sprengung sorgte in der Gemeinde für Tränen und Trauer. "Aber die Entscheidung war im nachhinein richtig", ist Fischer noch heute überzeugt. Den Wünschen der Ost-Berliner Kirche nicht nachzukommen, wäre "unmöglich" gewesen. "Es hat ja auch niemand gedacht, dass so schnell die Mauer fällt."