Ein Glaubenskurs in der Kneipe, ein Bibel-Wiki im Internet oder die Seelsorgerin im Vergnügungspark: Erstmals in Deutschland suchen Protestanten und Katholiken bei einem ökumenischen Kongress gemeinsam Wege für die Zukunft der Kirche. Beim Kongress "Kirche hoch zwei" in Hannover sind dabei über die Grenzen der Konfessionen hinweg Ideen gefragt. "Wir denken die Kirche bisher immer nur vom Zentrum der Institution aus", sagte der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister zum Auftakt. Es lohne sich aber, die kleinen "Farbspritzer" und Initiativen am Rande wahrzunehmen.
Altes und Neues verbinden
Bis Samstag wollen sich bei dem Kongress der hannoverschen Landeskirche und des Bistums Hildesheim rund 1.000 Teilnehmer angesichts von Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust der Kirchen gegenseitig inspirieren. Das bedeute nicht, alles Alte aufzugeben, erläuterte der Projektleiter der katholischen Kirche, Regens Christian Hennecke. "Es gibt aber neue Aufbrüche, die nicht auf dem Plan standen."
70 Workshops und 23 Foren stehen auf dem Programm. Mit Ständen präsentieren sich Fundraiser ebenso wie Arbeitslosenprojekte oder die Bibelübersetzer, an deren Texten im Internet jeder mitarbeiten kann. Vertreter der anglikanischen Kirche bringen aus England Ideen der Bewegung "Fresh expressions of church" ("Frische Ausdrucksformen der Kirche") mit. Die Kirche geht dort mit ihren Angeboten auch an unerwartete Orte wie etwa an eine Anlage für BMX-Fahrer und Skateboarder.
Zunehmender religiöser Analphabetismus
"In England kennt man die Bibel nicht mehr", sagte der englische Bischof Nicholas Baines. Um diesem Kulturwandel zu begegnen, müsse die Kirche sehr kreativ sein. Bischof Meister sprach von einem zunehmenden religiösen "Analphabetismus", dem die Kirche in Zukunft begegnen müsse.
Die evangelische Landeskirche und das katholische Bistum sehen ähnliche Herausforderungen auf sich zukommen. In der hannoverschen Kirche sank die Zahl der Mitglieder in den vergangenen zehn Jahren um rund 280.000 auf derzeit rund 2,8 Millionen. Das Bistum mit derzeit rund 630.000 Mitgliedern verlor im gleichen Zeitraum rund 60.000 Mitglieder. Während die evangelische Kirche fürchtet, in zehn Jahren jede fünfte Pfarrstelle nicht mehr besetzen zu können, ist der Nachwuchsmangel bei den Katholiken schon jetzt deutlich zu spüren.
Kongress bringt einen Blickwechsel
"Dieser Kongress kommt gerade zur rechten Zeit", sagte der Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger. In der katholischen Kirche gebe es den Eindruck einer gedrückten Stimmung. Es gebe aber auch viele kleine Ansätze, die Mut machen könnten. "Der Kongress bringt einen Blickwechsel."
Ralf Meister ergänzte, ihn hätten vor allem die ganz kleinen Gemeinden beeindruckt, die er auf seiner Reise durch die Landeskirche besucht habe. "Die empfinden sich noch als Gemeinde, auch ohne Pastor oder Diakon." Ehrenamtlich fänden sich Gruppen zusammen, die Gottesdienste oder Lesungen in der Kirche organisierten.