Cybermobbing - der Alptraum im Internet

Foto: Bastografie/photocase
Bei anonymen Angriffen im Internet fühlen sich die Betroffenen oft machtlos.
Cybermobbing - der Alptraum im Internet
Angriffe und Diffamierungen im Internet können den Ruf von Privatpersonen und Unternehmen schwer schädigen. Stalker und Querulanten haben ganz neue Möglichkeiten. Doch man kann sich gegen das Mobbing wehren.
03.09.2012
epd
Marcus Kirzynowski

Irgendwann wurde Googeln für Bruno L. zum Alptraum. Jedes Mal, wenn der Kölner Musiker seinen Nachnamen in die Suchmaschine eingab, erwarteten ihn Diffamierungen und Beschimpfungen. Ein Stalker unterstellte ihm in unzähligen Foren im Internet Meinungen, die er nie geäußert hatte. Mal nannte er ihn einen Nazi, mal einen Pädophilen. So sehr L. auch versuchte, seinen guten Ruf zu retten - gegen die schlichte Masse der Netz-Kommentare war er machtlos.

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In Zeiten sozialer Medien im Internet, bei denen jedermann ohne große Hürden Texte oder Fotos weltweit veröffentlichen kann, haben auch Stalker und Querulanten ganz neue Möglichkeiten, Menschen zu schaden. Auch Unternehmen sehen sich zunehmend Angriffen von Verbrauchern oder Konkurrenten ausgesetzt.

Professionelle Agenturen mit Namen wie "Reputationsverteidiger.de" oder "Reputation Manager" bieten in solchen Fällen ihre Hilfe an. Auch wenn beispielsweise bei der Düsseldorfer Agentur Revolvermänner nur fünf Prozent der Kunden Privatpersonen sind, ist das sogenannte Cybermobbing, gezielte Rufschädigung von Menschen im Internet, kein seltenes Phänomen.

Gezielt eine positive Persönlichkeit aufbauen

So ergab eine Studie der Universität Hohenheim an zwei Schulen im Raum Stuttgart im vergangenen Jahr, dass mehr als ein Fünftel der befragten Schüler bereits damit in Berührung gekommen waren. Auch bei Erwachsenen kommt es immer wieder vor, dass zum Beispiel nach gescheiterten Beziehungen aus Rache anzügliche Fotos oder Videos der Ex-Partner auf Webportale hochgeladen werden.

Die Betroffenen fühlen sich gegen die meist anonymen Angriffe oft machtlos. Dabei gibt es zahlreiche Mittel, sich zu wehren: von Anfragen an Portalbetreiber wie Facebook, diffamierende Beiträge zu löschen, bis zu juristischen Maßnahmen. Am wichtigsten sei aber, gegen Rufschädigung anzugehen, indem man im Netz ein positives Gegenbild schaffe, erklärt Christian Scherg, Geschäftsführer der Revolvermänner: "Wir bauen gezielt eine Netz-Persönlichkeit unserer Klienten auf."

In soziale Netzwerke eingestellte Dokumente oder ein eigenes Blog sollen ein komplettes Bild der Person vermitteln, Diffamierungen auf anderen Webseiten dadurch an Glaubwürdigkeit verlieren. Eine andere Möglichkeit sei, durch technische Mittel die rufschädigenden Einträge auf hintere Seiten in den Suchmaschinen zu verbannen.

Firmen: gekauften Lobeshymnen auf die eigenen Produkte

Auch für Unternehmen können anonyme oder pseudoanonyme Kommentare im Netz zur Gefahr werden. Ein Test der Zeitschrift "Audio Video Foto Bild" ergab im April, dass etwa ein Viertel der Nutzerbewertungen in Online-Shops im Auftrag von Herstellern gefälscht seien. Neben gekauften Lobeshymnen auf die eigenen Produkte gibt es auch Unternehmen, die Konkurrenten niederschreiben lassen.

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Auch wenn dies für Nutzer nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, gibt es doch einige mögliche Anhaltspunkte, etwa wie lange der Kommentator bereits ein Konto bei dem jeweiligen Portal hat oder ob gleich formulierte Bewertungen auf verschiedenen Plattformen auftauchen.

"Mangelnde Professionalität, etwa bei der Rechtschreibung, ist ein Zeichen, dass der Kommentar echt ist", sagt Christian Scherg. "Ich glaube an den mündigen Verbraucher, der intuitiv einschätzen kann, wie hoch der Wahrheitsgehalt einer Bewertung ist", urteilt Ralf Schengber, Marketingprofessor an der Fachhochschule Münster. "Interessengeleitete Bewertungen gehen bei der Anzahl der verfügbaren Meinungen in ihrer Bedeutung nahezu unter."

Shitstorm gegen Schokoriegel

Verbraucher können eigene Kommentare auf Online-Plattformen aber auch einsetzen, um Unternehmen zum Umdenken zu bewegen. Mit durchaus positiven Folgen, auch wenn ein Internet-Sturm der Empörung aus Sicht der Betroffenen zunächst wie ein bedrohlicher Angriff wirken kann. Ein solcher Shitstorm brach beispielsweise Anfang 2010 über Nestlé herein. Ein viral auf Tausenden Webseiten verbreitetes Greenpeace-Video sollte darauf aufmerksam machen, dass der Schweizer Lebensmittelkonzern für seinen Schokoriegel Kitkat Palmöl nutzte. Um dieses zu gewinnen, ließ der Lieferant in Indonesien Urwald niederholzen. Durch die zahlreichen Angriffe empörter Verbraucher im Netz sah sich Nestlé schließlich gezwungen, auf das Palmöl zu verzichten.

"Bei massiver Kritik ist Ignorieren keine sinnvolle Reaktion", rät Schengber Unternehmen. Bei berechtigter Kritik sollten sie diese aufnehmen und den Kritikern den Dialog anbieten. Bei unberechtigten Vorwürfen könnten Unternehmen sachliche Richtigstellungen auf eigenen oder auf den betreffenden fremden Kanälen verfassen, sagt der Fachmann für soziale Medien. "Allgemein sollten sie sich dabei offen und ehrlich zeigen."