Studie über Priester als Sexualstraftäter vorgestellt

Studie über Priester als Sexualstraftäter vorgestellt
Bei Missbrauchsfällen im kirchlichen Einrichtungen hat sich nach einer Studie das Täterprofil des pädophilen, sexuell unreifen Geistlichen nicht bestätigt. Nur bei einem geringen Teil der untersuchten Priester seien sexuelle Präferenzstörungen festgestellt worden, sagte der Essener Forensikprofessor Norbert Leygraf in Trier.

Der Mediziner stellte am Freitag die von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie vor. Darin werden die empirische Daten über die Persönlichkeit beschuldigter Priester sowie deren Taten mit allgemeinen gesellschaftlichen Befunden bei sexuellen Missbrauchshandlungen verglichen.

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"Priester scheinen deutlich seltener Missbrauch zu begehen als andere Bevölkerungsgruppen", sagte Leygraf. "Offenbar ist das Zölibat ein Schutz vor Missbrauch". Bei der Prognose der Rückfälle gingen die Wissenschaftler davon aus, dass nur fünf Prozent der begutachteten Priester nicht mehr in der Kirche einsetzbar seien, 37 Prozent nur eingeschränkt. Für diese Gruppe empfehlen die Wissenschaftler den Verbleib in der Kirche, da ein "soziales Kontroll- und Unterstützungsnetzwerk" vor Rückfällen schützen könne. 

"Der Eindruck, dass Priester eine Hochrisikogruppe für die Gesellschaft sind, hat sich nicht bestätigt", sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz. Die Studie, die Täter-Gutachten zwischen den Jahren 2000 und 2010 auswertete, zeige, dass Priester "normale Menschen" seien. Über den Einsatz von Priestern, denen ein Missbrauch nachgewiesen wurde, werde die Bischofskonferenz im nächsten Sommer neue Leitlinien vorstellen. Neben dem Kriterium der Rückfallquote sei auch immer die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit des betreffenden Geistlichen zu berücksichtigen, sagte Ackermann.

Drei Viertel der Opfer männlich

Die Studie griff auf 78 Gutachten von Priestern zurück, die Sexualstraftäter wurden. An der Erhebung hatten sich 21 der 27 Bistümer in Deutschland beteiligt. Die meisten der bekanntgewordenen Fälle fanden in den 1960 und 1970er Jahre statt, als laut Leygraf "eine geringere gesellschaftliche Sensibilität für das Thema sexueller Handlungen an Kindern und Jugendlichen herrschte".  Drei von vier Opfern waren männlich, was nach Auffassung der Wissenschaftler damit zusammenhängt, dass bis in die 1980er Jahre kaum Mädchen als Ministranten eingesetzt wurden.

Körperliche Gewalt habe in kaum einem der Fälle ein Rolle gespielt, hieß es weiter. Am wenigsten einsichtig seien die zwölf Priester gewesen, denen Konsum und Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen wurde. Bei diesen Tätern fehlte laut Leygraf das Gespür, dass auch Konsum verantwortlich für Missbrauch mache und neue Opfer schaffe. Laut Ackermann gilt es hier unter Priestern und in der Priesterausbildung den Blick dafür zu schärfen "damit uns nicht in einigen Jahren die nächste Welle einholt".

Auffällig ist nach Ausgabe des Trierer Bischofs, dass die meisten sexuellen Übergriffe sieben Jahre nach der Priesterweihe begannen und meist in beruflichen Konfliktsituationen vorkamen. Hier müssten Ansprechräume für die Geistlichen gefunden werden. Ackermann regte zudem Verhaltensrichtlinien für Seelsorger an, die etwa das Verhältnis von Nähe und Distanz in der Seelsorge regele.