Magnus Vattrodt nutzt die Krimiebene diesmal zudem, um die genüsslich zelebrierte Hassliebe zwischen dem volkstümlichen Polizisten und dem großspurigen Mediziner auf die Spitze zu treiben. Thiel dünstet seine Selbstzufriedenheit regelrecht aus, als ausgerechnet der selbsternannten Koryphäe Boerne ein kapitaler Kunstfehler nachgewiesen wird: Im Auto eines Mordopfers werden die Fingerabdrücke eines Politikers gefunden, den der Pathologe vor 18 Monaten für tot erklärt hat.
Und das ist nicht die einzige Herausforderung für den Professor: Eines Abends lauert ihm eine Steuerfahnderin (Ulrike Tscharre) auf. Die Dame sieht allerdings derart gut aus, dass Thiel umgehend von Visionen heimgesucht wird und vor lauter Verzückung nicht mehr geradeaus reden kann.
Erneut sind es also vor allem die komischen Szenen, denen dieser "Tatort" aus Münster seinen enormen Unterhaltungsfaktor verdankt. Natürlich wäre es Unfug zu behaupten, Matthias Tiefenbacher habe diese Momente mit besonderer Hingabe inszeniert; aber die todernst vorgetragenen Dialoge mit ihren verzögerten Pointen wären eine Zierde für jede Komödie.
Das Haus wirkt wie ein Aquarium
Das Familienleben der Hinterbliebenen des Politikers, das den dramaturgischen Kontrapunkt zum Comedy-Strang bildet, wirkt gerade durch den Kontrast besonders bedrückend: Die dem Alkohol recht zugetane Witwe (Victoria Trauttmansdorf, wie so oft als verschattete Frauenfigur) und Tochter (Henriette Confurius) haben beim Großvater (Lambert Hamel) Unterschlupf gefunden; auch wenn man sich des Gefühls nicht erwehren kann, dem Alten seien seine Fische wichtiger als Tochter und Enkelin.
Dazu passt, dass sein rundum verglastes Haus selbst wie ein Aquarium wirkt, was dem bloß vermeintlich Verblichenen sehr zupass kommt: Dank einer beweglichen Kamera kann er zumindest aus der Distanz den Kotakt zu seiner ahnungslosen Familie aufrechterhalten. Dieser Teil der Geschichte ist ohnehin in jeder Hinsicht deutlich durchsichtiger als der eigentliche Fall, in dem es um eine Briefkastenfirma in Bulgarien und veruntreute Subventionen geht.
Die beiden Ebenen treffen sich in Person des Drahtziehers, denn der Schurke ist in diesem Fall keineswegs die "Kartoffelkaiser" genannte regionale Agrargröße, auch wenn zunächst vieles darauf hindeutet. Wen es nicht stört, dass Martin Farkas mit seiner Kamera ein bisschen viel zoomen und schwenken muss, wird von "Herrenabend" wunderbar unterhalten. Bei der Erstausstrahlung vor zwei Jahren hatte der Film über 12 Millionen Zuschauer.