Vatikan tritt in "Vatileaks"-Affäre Flucht nach vorn an

Papst Benedikt XVI. im April 2012. Stürmische Zeiten kommen auf ihn zu - der Skandal hat Verschwörungstheorien genährt.
Vatikan tritt in "Vatileaks"-Affäre Flucht nach vorn an
Dass die Ermittlungsergebnisse im Skandal um die Veröffentlichung vertraulicher Vatikandokumente geheim gehalten wurden, hat Verschwörungstheorien genährt. Jetzt hat der Vatikan den Ermittlungsbericht veröffentlicht.
13.08.2012
epd
Von Bettina Gabbe

Mit der Veröffentlichung eines 14-seitigen Ermittlungsberichts, der zahlreiche Einzelheiten auflistet, und der Anklageschrift des Untersuchungsrichters Piero Antonio Bonnet tritt der Vatikan nun die Flucht nach vorn an. Mutmaßungen über die Hintergründe der Zurückhaltung sollen entkräftet werden.

Erst vor wenigen Tagen hatte das vatikanische Presseamt die Öffentlichkeit mit einer Erklärung überrascht. Darin hieß es, die parallel zur vatikanischen Justiz mit Ermittlungen beauftragte Kommission aus drei Kardinälen habe Papst Benedikt XVI. ihre Ergebnisse unterbreitet. Doch über diese Erkenntnisse enthielt die Note keine inhaltlichen Angaben.

###mehr-artikel### Der nun bekanntgegebene Ermittlungsbericht rollt die gesamte "Vatileaks"-Affäre auf: von der Veröffentlichung des Buchs des Journalisten Gianluigi Nuzzi "Sua Santità. Le carte segrete di Benedetto XVI" (Seine Heiligkeit - Die geheimen Papiere von Benedikt XVI.) am 20. Mai bis zur Anklageerhebung. Seither wurde in italienischen Medien viel über die Hintergründe der Enthüllungen spekuliert, etwa einen Machtkampf in der Kurie.

Schwerer Diebstahl und Behilfe dazu

Wenn das Vatikangericht am 20. September seine Sommerpause beendet, wird sich neben dem ehemaligen Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, ein weiterer Mitarbeiter des Vatikans verantworten müssen. Dem persönlichen Kammerdiener Gabriele wird schwerer Diebstahl vorgeworfen. Gegen dessen Bekannten Claudio Sciarpelletti, der bis zu seiner Festnahme im Mai als Informatiker im vatikanischen Staatssekretariat tätig war, wird Anklage wegen Beihilfe erhoben.

Die Verantwortung des Hauptverantwortlichen Gabriele, der im Mai verhaftet und später unter Hausarrest gestellt wurde, scheint wegen des umfangreichen Dokumentenfundes in dessen Wohnung und eines umfassenden Geständnisses außer Zweifel. Der mit einem Gutachten zur seine Schuldfähigkeit des Butlers beauftragte Psychologe Roberto Tatarelli befand, der Zustand des Verdächtigen "stellt keine Störung dar, die das Gewissen und die Willensfreiheit beeinträchtigt".

Begnadigung als Geste der großzügigen Vergebung

Dem Prozess gegen die beiden Angeklagten steht demnach nichts im Wege. Der Informatiker war noch im Mai gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. In den psychologischen Gutachten und in den Worten des Vatikansprechers wird Gabriele jedoch als fragile Persönlichkeit dargestellt, die nichts mehr verdiene, als eine Begnadigung durch den Papst als Geste der großzügigen Vergebung.

Auch nach der Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse bleibt die Frage, warum der Vatikan seit dem Beginn der Affäre im Mai nur so spärlich die Öffentlichkeit informierte. Für eine misstrauische Öffentlichkeit blieb damit genügend Zeit, die für die Veröffentlichung vorgesehenen Informationen nach Belieben zurechtzustutzen.

Ob Gabriele tatsächlich zu der nach jetzigem Stand der Dinge drohenden Haftstrafe zwischen ein und sechs Jahren verurteilt wird, bleibt abzuwarten. Für Verwunderung bei Beobachtern sorgt indes, dass die Ermittler den Angaben von Gabrieles geistlichem Berater "Padre B." Glauben schenkten. Dieser gab an, er habe die vertraulichen Dokumente ungelesen verbrannt. Offen bleibt weiter die Frage, warum der Kammerdiener überhaupt Kopien der Dokumente an den Informatiker und an den Geistlichen weitergab. Ersterer will den Erhalt im Lauf der vergangenen zwei Jahre "vergessen" haben. Warum "Padre B." Kopien erhielt, war offensichtlich nicht Gegenstand der Ermittlungen.