Samuel Koch präsentiert sein Buch

dpa/Sebastian Kahnert
Samuel Koch anlässlich der Präsentation seines Buches "Samuel Koch - Zwei Leben" am 23.04.2012 neben dem Moderator Thomas Gottschalk in Berlin.
Samuel Koch präsentiert sein Buch
Es hätte der Sprung seines Lebens werden sollen, stattdessen fiel Samuel Koch ins Bodenlose. Knapp eineinhalb Jahre nach seinem schweren Sturz in der ZDF-Sendung "Wetten, dass...?" erzählt der Schwerstgelähmte seine "Zwei Leben".
23.04.2012
epd
Ralf Schick

Als Samuel Koch im vergangenen Sommer von mehreren Buchverlagen angesprochen wurde, ob er nicht seine Geschichte aufschreiben wolle, musste er fast lachen. "Was sollte ein 23-jähriger Typ, der noch nichts erreicht hat außer den Tiefpunkt seines Lebens, in einem Buch schreiben?", erzählt Koch nun in seiner Autobiografie. Im Dezember 2010 stürzte der aus dem südbadischen Efringen-Kirchen stammende Sportler beim Sprung mit Stelzen über ein Auto so schwer, dass er heute vom Hals an fast vollständig gelähmt ist.

Fünf Monate lang habe er sich auf den damaligen Abend vorbereitet, über 500 solcher Sprünge absolviert. Die Phasen liefen automatisch in seinem Kopf ab: "Konzentrieren, Stoßgebet, Zeichen geben, Gewicht auf rechten Fuß verlagern, warten, bis das Auto die Markierung überfahren hat, fünf Schritte, einspringen, abspringen, Salto, hinter dem Wagen aufkommen, abfedern, auslaufen. Freuen." Stattdessen am Ende "Ein Knall. Nacht."

Der Traum zu fliegen

Koch war Kunstturner, studierte Musik, Theater, Medien, wollte Schauspieler werden. "Man spürte, dass da einer in dem Medium angekommen war, das für ihn die Zukunft bedeutete", schreibt der langjährige "Wetten, dass...?"-Moderator Thomas Gottschalk im Vorwort, der nach dem schweren Unfall die Show erstmals in ihrer Sendegeschichte abbrach. "Da wollte er hin, ob als Schauspieler, Stuntman oder Moderator. Wir alle wurden Zeugen, wie dieser Traum zerplatzte", schreibt Gottschalk.

Das Buch                                    Samuel Koch/Christoph Fasel: Zwei Leben, Aßlar 2012 (Adeo-Verlag, 208 Seiten, 17,99 Euro).

Als Ältester von vier Geschwistern wächst Koch in einer evangelisch-frommen Familie auf, leitet Kindergottesdienste. Die Familie ist für alle der große Rückhalt, die Beziehung zum Vater außergewöhnlich eng - bis heute, auch nach dem schweren Sturz ausgerechnet über das von seinem Vater gefahrene Auto.

Sein größtes Potenzial aber war sein Körper. In diesem lag seine Leidenschaft als Kunstturner, was er aber nie als Berufsziel anstrebte. Vielmehr träumte er davon, mal als Pilot "ein strahlbetriebenes Flugzeug" fliegen zu dürfen. Stattdessen der Sturz ins Bodenlose. In den ersten zwei Tagen danach hatte er noch Gefühl in seinem Körper, aber leichte Lähmungserscheinungen der Beine. Der erste und der letzte Wirbel der Halswirbelsäule waren unter der Wucht des Aufpralls geborsten, ein Splitter aus dem 7. Halswirbel hatte seine Halsschlagader aufgeschlitzt. "Das gerinnende Blut löste Thrombosen aus, in deren Folge ich zwei kleine Gehirnschläge erlitt."

"Gott ist keine Reklamationsabteilung"

"Schon wenige Stunden nach meinem Unfall hatten Journalisten versucht, sich Zugang in das Datensystem der Düsseldorfer Universitätsklinik zu verschaffen und dort illegal Details über meinen Gesundheitszustand zu ergattern", beschreibt Koch das gewaltige Medieninteresse. Die Ärzte erließen eine Nachrichtensperre, er wird unter falschem Namen eingeliefert. Auf den Stützstrümpfen, dem Bett, den Akten, selbst auf den kleinen Tablettenkästchen stand auf den Aufklebern zu lesen: Simon Schmitz. "So stand mein zweites Leben plastisch vor mir."

Sieben Tage befand er sich in der Düsseldorfer Universitätsklinik nach einer Notoperation, gequetschtem Rückenmark, einem Luftröhrenschnitt. Doch schon dort habe sich gezeigt, dass er anders sei als andere Schwerstverletzte, bescheinigen ihm im Buch die behandelnden Ärzte. Er verfüge über eine unglaubliche Willenskraft und Energie, etwas bewegen zu wollen, attestieren ihm Familie, Freunde, Bekannte, Ärzte. 

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In den vergangenen Monaten habe er oft mit Gott gehadert, sein Glauben half ihm aber, zu erkennen, dass Gott "keine Bestellannahme für menschliche Wünsche und Forderungen" betreibt und auch keine Reklamationsabteilung, wenn sie nicht erfüllt werden. Nach Gebeten fühlt sich der Schwerstgelähmte "immer ein Stück befreiter und ruhiger".

Samuel Koch kann nicht selbstständig sitzen, essen oder trinken. In der Zwischenzeit kann er zwar durch die Kraft seines Bizeps im Oberarm eine Hand etwas bewegen. Dies helfe ihm, seinen Rollstuhl in Gang zu setzen, nicht aber seine Zähne zu putzen oder die Nase zu schnäuzen. Doch sein Arm, mit dem er den Joystick steuert, gehorcht ihm nicht immer. Weshalb er sich in der Zwischenzeit erneut mehrere Male in Lebensgefahr begab. Etwa, als der Rollstuhl wie von Geisterhand bewegt auf die nach unten führende Rolltreppe im Kaufhaus zusteuert. Oder bei einer Fahrt über die Kreuzung in seinem Heimatort.

Mit seinem Schicksal will er sich nicht abfinden, das "klingt für mich nach Aufgeben". "Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht", zitiert Koch ein Bibelwort am Ende seines Buches. Samuel Koch sei auch nach dem schweren Unfall "ein Mensch, dessen positive Energie einfach unglaublich ansteckend ist", schreibt Gottschalks damalige "Wetten, dass..."-Assistentin Michelle Hunziker im Nachwort.