Gebete für den Sieg der deutschen Mannschaft in der Europameisterschaft werden keinen sicheren Erfolg haben. Genauso wenig wie Gebete um bessere Börsenkurse für Facebook-Aktien, auch wenn man sich welche zum Phantasiepreis von 38 Euro geleistet hat. Gottlob.
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Auch die in Gürtelschnallen deutscher Landser in den beiden Angriffskriegen des 20sten Jahrhunderts eingestanzte Parole "Gott mit uns" blieb im Gesamtergebnis erfolglos. Gott sei Dank.
Ist der Gott der Bibel, ist der Gott Abrahams und Sarahs, der Gott Isaaks, Hagars und Ismaels, der Gott des Jesus aus Nazareth und des Paulus aus Tarsus, ist der Gott Israels und der christlichen Kirchen ein Gott, der eingreift?
Ja. Nach allen biblischen Erzählungen: ja.
Es gibt keine Automatik
Gott hat seinem Volk seine Verheißungen gegeben und diese Verheißungen erfüllt. Darauf kann er behaftet werden. Gott hat sein Volk aus Fronarbeit und Unterdrückung befreit. Er lässt seine Propheten dagegen anschreien, dass die Lebensrechte der Armen mit Füßen getreten werden. Gegen allen Augenschein hat er Jesus nicht allein gelassen, als der auf dem Höhepunkt eines Pogroms und eines gefälschten Gerichtsverfahrens am Kreuz hingerichtet wurde. Die Freunde und Freundinnen Jesu haben bald erfahren, dass dies nicht das elende und schmachvolle Ende einer großen Liebesgeschichte war, sie haben diesen Tod so wahrnehmen können, dass Jesus sein Leben für seine Menschen hingegeben hat, dass Gott im tiefsten Elend da ist und bleibt, und dass Gott Jesus neues Leben schenkt. Die große Hoffnung, dass der Tod seine Macht verliert.
Es gibt keine Automatik. Das funktioniert schon nicht zwischen Geliebten, Freunden, Eltern und Kindern. Bitten funktionieren nicht wie performative Sprechakte. Sie stellen nicht die Wirklichkeit her, die sie aussagen, im selben Moment, in dem sie ausgesprochen werden. Sonst wäre das Leben auf elend langweilige Weise aufregungs-, konflikt- und problemlos. Kauf mir das Smartphone, liebe mich, bleib bei mir, was immer auch geschieht. Das wird schon nix zwischen Menschen, und gegenüber Gott funktioniert es genauso wenig.
Fingerzeige, dass Gott eingreift
Bitten funktionieren nicht wie performative Sprechakte, Gebete auch nicht, aber Verheißungen schon. Gott will sich auf seine Verheißungen behaften und darauf be- und anklagen lassen (Matthäus 7, 7-11). Wir können ihn bedrängen, ihm auf den Wecker gehen wie eine nervige alte Frau einem ungerechten Richter in einem Gleichnis Jesu (Lukas 18,1-8). Gott, Du hast zugesagt, dass das Leben gut ist, lass es nicht in Gewalt und Zerstörung versinken! Gott, du hast dem Isaak und Jakob, Du hast deinem Volk Israel genauso deinen Segen gegeben und ihm zugesagt zu einem großen Volk zu werden wie dem Ismael, den die Muslime als ihren Stammvater ansehen: Gott, lass dich durch unsere Gebe bedrängen und aus dem Takt bringen, hilf, dass dein Volk Israel und Palästinenser und Libanesen und Iraner nicht in immer neuen Gewaltorgien in gemeinsamer Barbarei versinken.
Vielleicht lassen sich ja immer wieder einzelne Aufbrüche als Fingerzeige deuten, dass Gott sich hat bitten lassen. Fingerzeige, dass Gott eingreift, auch angesichts des Elends heute: Wenn im West Eastern Divan Orchestra junge Israelis und Palästinenser/innen, Ägypter/innen und junge Leute aus anderen arabischen muslimischen Ländern unter der Leitung des weltberühmten jüdischen Dirigenten Daniel Barenboim in Ramallah, der Hauptstadt des palästinensischen Westjordanlandes ein begeistert gefeiertes Konzert geben. Wenn die Facebook-Aktion eines jungen israelischen Vaters, dieses wunderbare Foto mit Tochter auf dem Arm, innerhalb weniger Tage hunderttausendfach angeklickt wird: Iranians we love you, we will never bomb you.
Wir können, wir dürfen, wir sollen ihn bedrängen
Es gibt keine Automatik. Oft bleibt mir, oft bleibt von Gewalt und Elend zerstörten Menschen dunkel, warum Gott nicht eingreift. Die Gebete der Kinder von Auschwitz wurden nicht erhört, nicht die Klagen von jungen Frauen, die während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien in den 90er Jahren massenhaft vergewaltigt wurden, um sie aus ihrem Land zu vertreiben, nicht die Gebete der zahllosen Kinder, Frauen und Männer, die in den Massakern in Ruanda und im Kongo und in anderen Weltgegenden um ihr Leben und ihre Lebensperspektiven gebracht wurden, nicht die Gebete der Bootsflüchtlinge, die den zerstörerischen Lebensbedingungen ihrer Heimat durch eine Flucht nach Europa entgehen wollen und in ihren seeuntüchtigen Booten zu tausenden umkommen. So viele unaustauschbare Gesichter, so viele durch zerstörerische Bedingungen oder brutalste Gewalt vernichtete Lebensgeschichten.
Warum greift Gott nicht immer ein, wenn er in der Not angerufen wird? Kein Mensch kann diese Frage beantworten. Gott bleibt in all diesen Fällen das Gegenüber von Klage und Anklage. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Wir können, wir dürfen, wir sollen ihn bedrängen, auf seine Versprechen behaften, ihn an das erinnern, was er seinen Menschen zugesagt hat, immer wieder neu. Mehr ist nicht zu sagen.
Die deutsche Mannschaft wird in der EM aus eigener Kraft siegen oder aus eigener Schwäche untergehen. Na klar, trotzdem, genauso wie wir darum zittern und jubeln und feiern können, ohne Erfüllungsgarantie, schlicht als Ausdruck unserer Wünsche und Begeisterungsfähigkeit: Wir können um den Sieg der deutschen Mannschaft beten.
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