Zu häufig sei das Individuum der Referenzpunkt für Werte, sagte der EU-Ratspräsident: "Was gut ist für mich, das ist gut". Die europäische Idee hingegen basiere auf Solidarität, was das genaue Gegenteil dieses Konzepts sei. "In einer gewissen Weise läuft die europäische Idee somit dem Zeitgeist zuwider", sagte der Katholik aus Belgien. "Das ist der Grund, weshalb wir sie verteidigen müssen." Religion, Ideologie, Philosophie, Schriftsteller und Dichter könnten dabei einen großen Beitrag leisten. Europa müsse sich auch an seine Vergangenheit erinnern: "Der Krieg wartet nicht hinter der nächsten Ecke. Aber wenn wir die aktuelle Krise ohne eine Europäische Union bewältigen müssten - ich weiß nicht, wo wir jetzt wären."
Europa habe sich in der Krise bereits sehr solidarisch gezeigt, sagte Van Rompuy, "auch wenn diese Solidarität manchmal eine erzwungene war". Mit Blick auf Deutschland sagte er, er sei glücklich, dass sich die Debatte dort im vergangenen Jahr verändert habe. "Es ging nicht mehr nur um Eigeninteressen, es ging um das europäische Projekt selbst."
In Deutschland habe die Debatte eine positive Wendung genommen, bestätigte Katrin Hatzinger, die Brüsseler Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Anfangs hätten nationale Klischees überwogen - inzwischen aber sähen sich die Deutschen gemeinsam mit den Nachbarn im Herzen der EU. Dies lasse sich auch an jüngsten Umfrageergebnissen erkennen, unterstrich sie. Es gelte nun unter anderem, die Fehler zu korrigieren, die seinerzeit bei der Konzipierung der Währungsunion begangen worden seien.