Frankfurt a.M. (epd). Mit prominenter Beteiligung und Überlebenden sowie deren Angehörigen haben am Wochenende die KZ-Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen und Flossenbürg an die Befreiung der damaligen NS-Konzentrationslager vor 80 Jahren erinnert. Der Schrecken habe vor 80 Jahren ein Ende gehabt, aber nicht die Erinnerung, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als Hauptredner des Gedenkaktes in Flossenbürg. Im niedersächsischen Bergen-Belsen nahmen Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, an der Gedenkfeier zur Befreiung am 15. April 1945 durch britische Truppen teil.
Den Auftakt machte am Samstag die Gedenkstätte im bayerischen Dachau mit einem Gedenk-Gottesdienst, an dem rund 1.400 Menschen aus Deutschland und Polen teilnahmen. „Die Kirche stand, steht und wird immer eindeutig und unwiderruflich auf der Seite der Opfer stehen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Józef Kupny (Breslau), laut Mitteilung. Im KZ Dachau waren Polen mit mehr als 40.000 Inhaftierten die größte nationale Gruppe von Häftlingen.
Dachau war eines der ersten Konzentrationslager und bestand über die gesamte Zeit der NS-Herrschaft. Mehr als 200.000 Gefangene aus über 40 Nationen waren im KZ und seinen Außenlagern inhaftiert, mindestens 41.500 Menschen starben dort. Am 29. April 1945 wurde es von der US-Armee befreit. Heute besuchen jährlich rund eine Million Menschen aus aller Welt die vor 60 Jahren eröffnete Gedenkstätte, darunter viele Schulklassen.
Im ebenfalls in Bayern gelegenen ehemaligen KZ Flossenbürg gedachten Überlebende, Angehörige ehemaliger Häftlinge sowie Hunderte Gäste am Sonntag des Leidens der Inhaftierten. In dem Lager mit seinen 80 Außenstellen waren zwischen 1938 und 1945 mehr als 100.000 Menschen inhaftiert, von denen fast jeder und jede Dritte nicht überlebte. US-Streitkräfte befreiten es am 23. April 1945.
Emilia Rotstein, die Tochter des ehemaligen Häftlings und Überlebenden Leon Weintraub (Stockholm), sagte laut Redemanuskript, der Holocaust sei ausführlich dokumentiert: „Trotzdem gibt es jetzt wieder Verneiner, Menschen, die behaupten, es wäre nie geschehen“. Doch „das Vergessen würde den Opfern abermals das Leben rauben“, gab sie zu bedenken. Auch der 99-jährige Leon Weintraub nahm an der Gedenkveranstaltung teil.
Ministerpräsident Söder als Hauptredner rief dazu auf, das Gebot „Nie wieder!“ müsse „im Zweifelsfall auch erkämpft“ werden. Die geschäftsführende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) prangerte laut Manuskript an, 80 Jahre nach Kriegsende verhinderten und zerstörten weltweit „Hassparolen auf Straßen und in Parlamenten das vernünftige Gespräch, völkische Ideologen führen das große Wort und bringen Mahner zum Schweigen“.
Im KZ Flossenbürg wurden Häftlinge im örtlichen Steinbruch ausgebeutet. „Vernichtung durch Arbeit war das Prinzip“, sagte Karl Freller, der Direktor der Stiftung bayerische Gedenkstätten. Für die Gedenkstätte sei es ein „wichtiger Meilenstein“, dass der kommerzielle Abbau im ehemaligen Steinbruch nun endlich eingestellt sei.
In Bergen-Belsen fanden die Befreier Tausende unbestattete Leichen und Zehntausende todkranke Menschen vor. Dort kamen mehr als 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene um, darunter das jüdische Mädchen Anne Frank, dessen Tagebuch posthum weltbekannt wurde.
Zu der Veranstaltung am Sonntag kamen noch gut 50 Überlebende mit ihren Angehörigen. Weil hob besonders den Einsatz der Überlebenden für die Erinnerungskultur hervor. „Schoah und Holocaust sind nun einmal Teil unserer Geschichte, das 'Nie wieder' der Auftrag unserer Verfassung“, betonte der Regierungschef.
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte vor einem zunehmenden Verblassen der Erinnerung an die Vernichtung der Juden. „Erinnern heißt nicht nur bewahren - erinnern heißt auch widersprechen und handeln, wenn Geschichte verzerrt wird“, sagte er.