Berlin (epd). Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat zum Gedenktag für die Opfer von Terror-Attentaten die Gesellschaft dazu aufgerufen, füreinander einzustehen. „Wenn das Ziel von Terrorismus die Spaltung der Gesellschaft ist, dann ist unsere stärkste Antwort das Miteinander“, sagte Baerbock bei einer Gedenkveranstaltung am Dienstag im Auswärtigen Amt in Berlin. Auch Überlebende terroristischer Anschläge kamen zu Wort und forderten weniger Bürokratie und feste Ansprechpersonen für Betroffene.
Baerbock betonte die Notwendigkeit einer weltweiten Sicherheitsvernetzung. „In Zeiten der Digitalisierung des 21. Jahrhunderts vernetzt sich der Terror weltweit. Er macht nicht Halt an Grenzen.“ Deshalb sei die Unterstützung anderer Länder wie Nigeria oder Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) im Kampf gegen den Terrorismus der beste Schutz für Deutschland. Überall in den Ländern, in denen sich die Perspektivlosigkeit weiter ausbreite, rekrutierten die Terroristen, sagte Baerbock.
Betroffene terroristischer Gewalt berichteten in Videobeiträgen und auf dem Podium der Gedenkveranstaltung von ihren Erfahrungen. Sofie Luft, die im September 2017 einen Terroranschlag in Barcelona überlebte, berichtete von mangelnder Unterstützung für Betroffene. „Mein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt“, sagte sie. So konnte Luft ihr Abitur erst ein Jahr später machen, weil sie lange Zeit im Krankenhaus lag. Besonders die bürokratischen Hürden seien eine zusätzliche Belastung gewesen: „Wir mussten Anträge stellen und den Leuten hinterherrennen, damit wir Antworten bekommen haben.“ Luft fordert deshalb Ansprechpersonen für Überlebende und Angehörige.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies auf Fortschritte wie schnellere Kriseninterventionsteams, eine verbesserte psychologische Betreuung sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Sie selbst habe jeden Tatort der jüngsten Anschläge in Mannheim, Magdeburg, Aschaffenburg und München besucht. Dennoch gebe es weiterhin große Hürden, insbesondere bei bürokratischen Verfahren. „Diese Form des Bittstellens“ müsse aufhören, machte Faeser klar. Der Staat habe eine Bringschuld den Opfern terroristischer Gewalt gegenüber, denn solche Angriffe träfen nie nur Einzelpersonen, sondern zielten stets auf den Staat und die freie Gesellschaft als Ganzes.
Kritik kam im Vorfeld der Veranstaltung von dem „Bundesweiten Solidaritätsnetzwerk“, das Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vertritt. Das Netzwerk bemängelte, dass viele Überlebende und Angehörige nicht eingeladen oder ihnen teilweise die Teilnahme „sogar aktiv verwehrt“ wurde. Mit einer Kundgebung an der Jungfernbrücke in Berlin am Dienstagnachmittag wollten die Betroffenen auf fehlende Anerkennung von rechter Gewalt, mangelnde Aufklärung und unzureichende finanzielle Unterstützung für Betroffene aufmerksam machen.
Der nationale Gedenktag in Deutschland wurde zum vierten Mal begangen. Er knüpft an den Europäischen Gedenktag für die Opfer des Terrorismus an, der nach den Bombenanschlägen in Madrid vom 11. März 2004 ins Leben gerufen wurde. Die Europäische Union gedenkt seit 2005 jährlich an diesem Tag der Betroffenen terroristischer Gräueltaten weltweit.