Kassel (epd). Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Urteilen den Anspruch auf Pflegegeld für pflegebedürftige Kinder erleichtert. Wie die Kasseler Richter in vier am Freitag bekanntgegebenen Urteilen vom Vortag entschieden, ergibt sich etwa ein zusätzlicher Pflegebedarf, wenn Eltern die notwendige Essens- und Trinkmenge ihres pflegebedürftigen Kindes ständig kontrollieren müssen. (AZ: B 3 P 9/23 R und weitere) Auch wenn ein Kind das schmerzhafte Legen einer Kanüle für eine Insulinpumpe verweigert, kann das nötige Zureden der Eltern bei der Bestimmung des Pflegegrades berücksichtigt werden.
Nach den gesetzlichen Regelungen gibt es ab dem Pflegegrad 2 Pflegegeld. Bei der Bestimmung des Pflegegrades werden die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen in sechs sogenannten Modulen bewertet. Die Beeinträchtigungen im Alltag werden mit bis zu 100 Punkten bewertet. So erhalten Betroffene ab 27 bis unter 47,5 Punkte den Pflegegrad 2. Kleinkinder bis zum 18. Lebensmonat können leichter einen höheren Pflegegrad erhalten.
Im jetzt verhandelten Leitfall ging es um einen an Diabetes Typ 1 erkrankten und insulinpflichtige Jungen, der eine Insulinpumpe nutzt. Vor dem Essen muss er seine Essensmenge bestimmen, damit die Insulinpumpe über einen Katheter die richtige Menge Insulin abgibt.
Die Eltern hatten die Anerkennung eines Pflegegrades 2 und damit Pflegegeld verlangt. Sie begründeten das damit, dass sie ihr Kind ständig bei der Nahrungsaufnahme beaufsichtigen und es entsprechend der erhaltenen Insulinmenge zum Essen anhalten müssen. Außerdem müsse der Junge motiviert werden, dass er etwa alle zehn Tage das erforderliche Legen der Kanüle für die Insulinpumpe erduldet. Auch dieser Aufwand müsse bei der Bestimmung des Pflegegrades berücksichtigt werden.
Das BSG gab den Eltern recht. Die ständige Aufsicht über das richtige Essen stelle einen zusätzlichen Pflegebedarf dar. Zwar sei im Modul 5 (Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen) auch das Einhalten einer Diät bereits berücksichtigt worden. Die Aufsicht gehöre aber zum Modul 4 „Selbstversorgung“. Weil das Kind nicht seine Essensmenge selbst bestimmen könne, sei hier die Aufsicht über die Nahrungsaufnahme bei der Pflegegradbestimmung zusätzlich zu berücksichtigen, befand das Gericht.
Auch die Angst des Kindes vor dem Legen der Kanüle und das daraus resultierende Abwehrverhalten müsse in die Pflegegradbestimmung einfließen. Die von den Pflegekassen angewandte Praxis, nach der solch eine Angst nur bei Vorliegen einer psychischen Störung beim Pflegegrad berücksichtigt werden könne, sei mit dem Gesetz nicht vereinbar, urteilte das BSG.