Tödliche Polizeischüsse auf Flüchtling: Freisprüche für Polizisten

Tödliche Polizeischüsse auf Flüchtling: Freisprüche für Polizisten
Die tödlichen Polizeischüsse auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé bleiben juristisch ohne Konsequenzen. Die fünf beteiligten Beamten hätten in Notwehr gehandelt, urteilte das Landgericht Dortmund und sprach alle Angeklagten frei.

Dortmund (epd). Im Prozess um die tödlichen Polizeischüsse auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé in Dortmund hat das Landgericht alle angeklagten Polizisten freigesprochen. Der Vorsitzende Richter Thomas Kelm erklärte am Donnerstag bei der Urteilsverkündung, die Beamten hätten sich durch das Verhalten des bewaffneten 16-Jährigen in einer Notwehrsituation befunden. Alle Indizien deuteten darauf hin, dass Dramé zwar keinen Angriff geplant hätte. Gleichwohl hätten die Beamten davon ausgehen müssen, dass der Mann, der sich mit einem Messer näherte, eine Bedrohung darstelle.(AZ.: 39 Ks 6/23).

Der Vorfall vom 8. August 2022 hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Zu dem Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt war es gekommen, weil sich der 16-jährige Dramé, der sich in einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung befand, offenbar mit einem Messer das Leben nehmen wollte. Daraufhin wurde die Polizei von einem Mitarbeiter der Einrichtung alarmiert.

Vor Ort eskalierte die Situation. Die Polizei ging mit Pfefferspray und Tasern gegen den 16-Jährigen vor. Dramé flüchtete dann in Richtung der Beamten, die ihn entwaffnen wollten. Ein Beamter feuerte mit einer Maschinenpistole sechs Schüsse auf ihn ab. Die beteiligten Polizistinnen und Polizisten gaben im Prozess an, sie hätten in Notwehr gehandelt, da der Jugendliche mit der Waffe in der Hand auf sie zugekommen sei.

Der Richter wies unter anderem darauf hin, dass es bei dem Einsatz der Polizei Verständigungsprobleme mit dem Jugendlichen gegeben habe. Um einen möglichen Suizid des Jugendlichen zu verhindern, sei während des Einsatzes beschlossen worden, Pfefferspray einzusetzen, Alternativen seien nicht diskutiert worden. Die Polizisten hätten einen Angriffswillen erkannt und sich in einer Notwehrsituation gesehen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem 31 Jahre alten Polizisten, der aus einer Maschinenpistole sechsmal auf den jugendlichen Flüchtling aus dem Senegal geschossen hatte, ursprünglich Totschlag vorgeworfen. Da sich dieser Vorwurf im Verfahren nicht nachweisen ließ, plädierte die Anklagebehörde auf Freispruch. Auch für zwei Kolleginnen und einen Kollegen im Alter von 30, 32 und 35 Jahren hatte die Staatsanwaltschaft Freispruch gefordert. Lediglich gegen den Einsatzleiter (56) hatte die Anklagebehörde auf eine Verurteilung gedrungen und eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung gefordert.

Die Nebenklage, die von zwei Brüdern des Getöteten beauftragt wurde, hatte im Plädoyer die Verantwortung für den Vorfall vor allem bei dem Einsatzleiter gesehen, einen konkreten Strafantrag forderte die Nebenklage aber nicht. Die Verteidigung hatte auf Freispruch für alle Angeklagten plädiert.

Der Polizeieinsatz hatte in der Öffentlichkeit für massive Kritik gesorgt. Gegen die Einsatzkräfte wurde der Vorwurf erhoben, sie hätten aus rassistischen Motiven gehandelt und die Situation eskalieren lassen. Für Unverständnis sorgte auch die Tatsache, dass die Bodycams der Polizisten während des Einsatzes ausgeschaltet waren. Der Schütze war nach dem Vorfall vom Dienst suspendiert worden. Die übrigen Angeklagten wurden in andere Dienstbereiche der Polizei umgesetzt und versehen derzeit Innendienst.