Berlin (epd). Das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft wird in Deutschland etwas negativer bewertet als noch vor zwei Jahren. Diese Entwicklung lasse sich vor allem auf eine etwas skeptischere Wahrnehmung bei Befragten ohne Migrationshintergrund zurückführen, heißt es im Integrationsbarometer 2024 des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Der Vorsitzende des Rats, Hans Vorländer, betonte jedoch, dass Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte das Integrationsklima weiterhin „mehrheitlich deutlich positiv bewerten, anders, als die oft hitzigen medialen Debatten um Migrationssteuerung vermuten lassen“.
Die Sachverständigen legten das Integrationsbarometer mit dem Integrationsklima-Index zum fünften Mal vor. Es misst die Einstellungen von Menschen auf der Basis repräsentativer Befragungen und fasst sie in einem Wert zwischen 0 und 100 zusammen. Danach liegt der Index 2024 bei 66,3 Punkten - und damit auf dem Niveau von 2020, jedoch unter dem Höchststand von 68,5 Punkten im Jahr 2022.
Dem Bericht zufolge bewerten Menschen mit und ohne Migrationshintergrund das Zusammenleben unterschiedlich: Während Zugewanderte nahezu gleichbleibende Werte angeben, fällt das Urteil der Nicht-Zugewanderten skeptischer aus. Besonders negativ wird der Bildungsbereich eingeschätzt.
Vorländer sieht darin eine gestiegene Skepsis gegenüber der Integrationsfähigkeit des Bildungssystems. So würden beispielsweise 55 Prozent der befragten Menschen ohne Migrationshintergrund ihre Kinder an einer Schule mit einem höheren Anteil an Kindern mit internationaler Herkunft anmelden, vor zwei Jahren seien es noch 65 Prozent gewesen.
Etwa zwei Drittel der Befragten, sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund, gehen davon aus, dass Flüchtlinge langfristig einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft und Kultur in Deutschland haben werden. Dennoch ist der Anteil der Menschen ohne Migrationshintergrund, die Flüchtlinge als Bedrohung für den Wohlstand sehen, gestiegen. Marc Helbing, Mitglied im Sachverständigenrat, weist jedoch darauf hin, dass diese Wahrnehmung im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der in Deutschland vorherrschenden Rezessionsängste betrachtet werden sollte.
Der Bericht zeigt zudem, dass Menschen mit Migrationsgeschichte, die Diskriminierung erfahren oder sich benachteiligt fühlen, mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit eine Auswanderung in Betracht ziehen. Rund 38,3 Prozent der Befragten, die starke Benachteiligungen wahrnehmen, erwägen diesen Schritt.
Für die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sind diese Ergebnisse ein Grund zur Sorge. „Das schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland immens und reißt weitere Lücken auf dem Arbeitsmarkt, etwa im Gesundheits- oder auch im Dienstleistungsbereich“, teilte sie mit.
Befragt wurden für das aktuelle Integrationsbarometer 15.020 Personen, 8.001 Menschen ohne und 7.019 Menschen mit Migrationshintergrund. Die Interviews fanden von November 2023 bis Juli 2024 statt. Die Studie wird zu gleichen Teilen vom Bund und den Ländern gefördert.
Der Integrations-Sachverständigenrat ist unabhängig und eines von fünf Gremien dieser Art - wie beispielsweise auch die Wirtschaftsweisen - die Daten liefern und mit ihrer Expertise die Regierung beraten. Das Integrationsbarometer wird alle zwei Jahre veröffentlicht.