Eine Wunschreise durch die Zeit

Mädchen freut sich über Schneeflocken
Judith Frindt (M)
Erhellend. Unterwegs im Advent
Eine Wunschreise durch die Zeit
Das Wünschen ist so alt wie die Welt. evangelisch.de Autorin Mirjam Zücker erzählt, was Kinder heute am Weihnachtsabend glücklich macht. Sie fragt auch, was Kinderaugen vor sechs, sieben Jahrzehnten zum Strahlen brachte. Herausgekommen ist eine Wunschreise durch die Zeit.

Im Dezember werden Wunschzettel geschrieben. Ob an den Weihnachtsmann, ans Christkind oder an die Eltern – Heiligabend liegen die ersehnten Dinge hoffentlich unter dem Baum, geheimnisvoll verhüllt in Papier. Der Moment der Erlösung, wenn die Anspannung sich endlich, endlich in Glück auflösen kann, wird von den Erwachsenen gern verzögert.

Es ziept in den heranwachsenden Herzen und wir sind dabei, wenn ihre hellen Stimmen es aussprechen: dass sie das Leben in sich spüren. Wangen glühen und Augen strahlen mit den Kerzen am Weihnachtsbaum um die Wette. Und uns wird es warm davon. Diese Freude erlebt niemand alle Tage.

Aber was wünschen sich die Kinder 2024 zu Weihnachten? Ein paar haben ihre Wünsche verraten.

Julius (4): "Was ich mir zu Weihnachten wünsche? Ein Fernglas! Damit ich die Raubtiere beobachten kann. Luchse und Löwen, Tiger und Panther. Es ist wichtig, dass diese Tiere weit weg stehen, denn sie sind sehr gefährlich. Und ich möchte mit dem Fernglas Fossilien am Strand suchen. Eine neue Kamera wünsche ich mir auch, und eine Ausrüstung mit Lupe, Netz und Lichtern. Wenn die Kaninchen unserer Nachbarn weglaufen, kann ich sie damit wieder einfangen. Meine Weihnachtswünsche sage ich Mama und Papa. Heiligabend ist es so: Jeder isst ein Kuchenstück, dann gibt es die Geschenke. Damit spielen wir, bis es langsam Mittagessen gibt. Dann wieder spielen, bis zum Abendbrot. Und dann spielen wir weiter und gehen erst ganz spät schlafen."

Lily (6): "Ich wünsche mir eine Babypuppe, wie meine Freundin sie hat. Die Puppe soll nicht Pipi machen und keine Windeln haben. Ihre Haare sind keine echten, sondern so kleine Striche aus Plastik auf dem Kopf. Babygeräusche macht sie auch. Ich bin mir ganz sicher, dass ich so eine Puppe bekomme. Heiligabend feiern wir mit meiner Familie bei Oma. Da liegen die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Vorher gehen wir auf den Spielplatz und müssen lange warten. Danach gibt es das Essen, dann heißt es wieder warten, warten, warten. Wir ziehen unser Nachtzeug an, und endlich gibt es die Geschenke. Ich suche mir zuerst das Kleinste aus, danach das Mittlere und am Schluss das größte Geschenk. Das Tollste sind die Süßigkeiten auf den bunten Tellern. Und ganz besonders mag ich die gerösteten Mandeln, die Mama und Papa besorgen."

Emma (7): "Ich wünsche mir Schnee, Schnee und nochmals Schnee! Das ist mein einziger Wunsch. Mal sehen, ob es klappt. Ansonsten freue ich mich darauf, dass mein Bruder an Heiligabend wieder den Weihnachtsmann spielt. Am liebsten habe ich allerdings den 27. Dezember, denn da hat mein Opa Geburtstag und alle kommen zusammen und feiern."  

David (8): "Ich weiß, was ich mir wünsche: Von Lego das Gunship der Coruscant Wachen, das ist von Star Wars. Außerdem eine digitale Uhr mit Schrittzähler. Und ich wünsche mir einen blauen Boxsack zum Trainieren. Das schreibe ich alles auf einen Wunschzettel und den gebe ich Mama. Heiligabend warten wir im Zimmer meines ältesten Bruders, bis die Bescherung losgeht. Unter dem Weihnachtsbaum liegen unsere Geschenke auf Stapeln mit Namen dran. Vielleicht spiele ich wieder etwas auf der Geige vor, mal sehen. Nach der Bescherung gibt es Snacks. Der schönste Moment ist, wenn ich mein Lego Set aufbauen kann. Dafür brauche ich ein bis zwei Stunden. Dann kann ich damit spielen."

Anna (9): "Ich wünsche mir das Kartenspiel "Wer bin ich" und ein Skateboard. Über das Jahr verteilt sage ich Mama, was ich mir zu Weihnachten wünsche, und Mama gibt das an die Engel weiter. Meistens klappt das mit den Wünschen, entweder Zuhause oder bei Oma und Opa. Heiligabend bin ich ab dem frühen Nachmittag in der Kirche, weil ich im Krippenspiel mitspiele, zweimal hintereinander. Nach der Christmette warten wir im Wohnzimmer auf das Läuten des Glöckchens. Dann war das Christkind da. In der Bibliothek steht der Weihnachtsbaum mit echten Kerzen, darunter liegen die Geschenke. Vor der Bescherung wird die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und wir singen ein Lied. Dann kommt manchmal noch meine große Schwester mit der Gitarre – und dann wird ausgepackt. Am nächsten Tag reisen wir zu Oma und Opa und es gibt Spätzle und Hirsch und die ganze Familie kommt zusammen. Dann ist es am schönsten." 

Noah (9): "Also ich habe ziemlich ultra viele Wünsche. Aber man kriegt ja sowieso nie alles. Ich wünsche mir so ein Dings, in das man Cola füllt und über Nacht in den Gefrierschrank stellt. Am Morgen ist daraus ein Slushi geworden. Eine Popcornmaschine möchte ich auch haben. Und dann noch ein anderes Dings, da steckt man eine Spielmünze hinein und kann mit einem Greifer etwas Süßes herausholen. Star Wars Lego wünsche ich mir natürlich auch. Den Rest muss ich mir noch überlegen, wenn ich meinen Wunschzettel schreibe. Den lege ich irgendwann im Dezember auf die Terrasse und nachts holen den Mama oder Papa rein. Ich liebe Weihnachten und die Tage danach. Es gibt große Hähnchenkeulen zum Essen, von denen schafft jeder nur eine. An Heiligabend gehen wir alle zusammen in die Kirche. Davor legen Mama und Papa die Geschenke unter den Baum. Als ich klein war, kam Marco und war der Weihnachtsmann, das war richtig toll." 

Jasper (11): "Ich habe zwei Wünsche: Eine neue Tastatur für meinen PC und Geld zum Sparen. Aber ich lasse mich auch gerne mit Kleinigkeiten überraschen. Als ich klein war, habe ich mir jedes Weihnachten Autos gewünscht. Damit habe ich dann Staus durch die ganze Wohnung gebaut. Meine Wünsche sage ich meinen Eltern. Früher waren wir Heiligabend immer spazieren, und dann war der Weihnachtsmann ausgerechnet in der Zeit da gewesen und hatte die Geschenke gebracht. Am 24. ist die Stube gesperrt und wir warten oben in unseren Zimmern, bis wir reinkommen dürfen. Später gibt es für jeden eine Schüssel mit weihnachtlichen Lieblingssüßigkeiten. Ich mag diesen Tag, an dem alles so voller Vorfreude ist. Und ich besorge gern Geschenke für meine Familie, wenn mir etwas Gutes einfällt."

Lotta (13): "An einen Wunsch erinnere ich mich ganz besonders: Ich wollte unbedingt ein Försterkostüm haben. Bekommen habe ich ein Peter-Pan-Kostüm. Hat aber trotzdem funktioniert. Jetzt schreibe ich meine Wünsche in die Notizen-App. Da hat sich angesammelt: Die Heartstopper Comics von Alice Oseman und ein Formel 1 Lego Auto. Und eine Sammelfigur von Smiski, die leuchten im Dunkeln und sind total toll. Mehr ist mir nicht eingefallen. Ich überlege mir viel lieber Geschenke für meine Freundinnen. Das macht mir am meisten Spaß, darüber nachzudenken, wer sich über was freuen könnte. Das Problem ist nur, ich habe für alle zu viele Ideen. Mein ganzes Taschengeld verbrauche ich dafür. Verpackt wird in Geschenktüten, das ist schön praktisch. 
Der schönste Moment von Weihnachten ist, wenn wir Heiligabend mit dem Auto durch unseren Ort fahren und an alle Freunde die Geschenke verteilen, das liebe ich."

Als sie ein Kind war, hat sie sich Essen gewünscht

Das Wünschen ist so alt wie die Welt. Wer sich etwas wünscht, hat Hoffnung. Hat nicht aufgegeben. Wer Wünsche aufschreibt, glaubt noch: An Rettung, an das große Los, an die warme Liebe der Eltern. An das Wunder, das eigentlich nicht möglich sein kann und auf unerklärliche Weise doch Wahrheit wird.
Wie war das früher? Was waren damals die Weihnachtswünsche, was brachte Kinderaugen vor sechs, sieben Jahrzehnten zum Strahlen? 

Brigitte (85) denkt nicht ganz so gern an die Weihnachten von früher. Es gab Zeiten, da lagen Glanz und Wünsche hinter dunklen Schleiern. Als sie ein Kind war, hat sie sich Essen gewünscht: Brot, Kartoffeln, Haferflocken. Später dann Puppenkleider, genäht und gestrickt von der Großmutter.  

Till (84) erinnert sich blitzschnell an den Fußball, der sein Weihnachtswunsch war, als er ein kleiner Junge war. Er rechnet zurück, wie alt er da war: Horch Zwickau wurde 1949 Meister, also war er fünf. Es gab noch einen Wunsch, der war so groß und gewaltig, der hätte in Erfüllung gehen müssen. Till wünschte sich, dass sein Vater aus der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft zurückkäme. Allein zwischen der Mutter und den ganzen Tanten; er war sich sicher, dass alles wieder gut würde, wenn nur der Vater heimkehrte.

Erwins (72) ältester Weihnachtswunsch war ein großer, brummender Teddybär, den er auch bekam und der sein Tröster und sein Sonnenschein wurde. Mit zehn Jahren stand eine Modelleisenbahn auf dem Wunschzettel. Die Schienen wurden durch die ganze Stube gebaut. Heiligabend gingen Erwin und seine Schwestern ins Haus nebenan zu den Großeltern. In der Zeit kam der Weihnachtsmann, um die Geschenke unter den Baum zu legen. Ein paar Tage zuvor war Erwin mit seinem Vater in den Wald, der die Siedlung umschloss, gezogen, um eine schöne Fichte zu schlagen. Vor der Bescherung wurden Weihnachtslieder gesungen. Es gab Bockwürste und Kartoffelsalat, selbst gemachtes Marzipan und braune Pfefferkuchen, bunte Teller und Bratäpfel aus der Ofenröhre.

Gabriele (70) hat sich eine schöne Puppe gewünscht, immer. In einem Jahr war es soweit: Sie bekam den ersehnten Nacktfrosch, eine Porzellanpuppe zum Baden und Anziehen. Mit der Sportkarre dazu konnte das Puppenmuttiglück vorsichtig perfekt sein. 

Ein Westpaket, auch so ein sehnlicher Weihnachtswunsch von Gabriele und ihren Brüdern. Der Briefträger schob sein Fahrrad durch den Schnee, voll behangen mit Paketen, an ihrem Fenster vorbei. Bis ein Paket doch ihre Adresse auf dem Papier stehen hatte. Eine Tafel Rittersport für jedes Kind, eine weiße Garnitur Unterwäsche für Gabriele. Zauber, der für Jahre hielt. Die Wohnung schmückten sie mit Nussknackern, Bergmännern und Räucherkerzen. Ein Weihnachtsbaum wurde nicht aufgestellt, aber duftige Vorfreude verbreitet – darin war der Vater gut. Am Tag vor Heilig Abend wischte er die große Vitrine mit Möbelpolitur und sang dabei: "Morgen, Kinder, wird’s was geben." Und dann gab es: Geschenke, Rinderbraten, Rotkraut, grüne Klöße. Und 14 Stollen, die reichten bis Ostern.  

So sehr viel anders war es früher nicht. Geschenke waren bodenständiger, elementarer. An manch erfüllte Herzenswünsche wurde sich für immer erinnert. 
Eins blieb gleich am Wünschen zu Weihnachten: Es ist das, was uns gerade noch fehlt zum Glück.