360 Frauen im vergangenen Jahr durch Femizide gestorben

360 Frauen im vergangenen Jahr durch Femizide gestorben
Gewalt gegen Frauen nimmt zu. 360 Frauen und Mädchen starben 2023 infolge eines Femizids. Familienministerin Paus hofft, noch vor der absehbaren Neuwahl eine Verbesserung der Hilfen für bedrohte Frauen zu erreichen. Ob das gelingt, ist aber offen.

Berlin (epd). Straftaten und Gewalt gegen Frauen haben im vergangenen Jahr zugenommen. Wie aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten ersten Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zu gegen Frauen gerichteten Straftaten hervorgeht, sind in nahezu allen Deliktbereichen deutliche Anstiege zu verzeichnen. So wurden 2023 mehr als 52.000 Frauen oder Mädchen Opfer von Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexueller Belästigung und Nötigung. Das waren rund 3.000 beziehungsweise 6,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Mehr als die Hälfte der Opfer waren jünger als 18 Jahre, wie BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer sagte. Im Bereich häusliche Gewalt wurden mehr als 180.000 weibliche Opfer gezählt, ein Plus von 5,6 Prozent. 938 Mädchen und Frauen wurden Opfer von Tötungsversuchen, 360 von ihnen starben. Damit habe es fast jeden Tag einen Femizid gegeben, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Das Lagebild zeige, wie alltäglich Gewalt gegen Frauen sei, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne).

Besonders stark war dem Lagebild zufolge im vergangenen Jahr der Anstieg bei gegen Frauen gerichteter digitaler Gewalt. 17.193 Opfer wurden 2023 registriert, 25 Prozent mehr als im Jahr davor. Die überwiegende Mehrzahl der Straftaten in diesem Bereich sind Nötigungen, Bedrohungen und Stalking.

Stark gestiegen ist 2023 dem Bundeskriminalamt zufolge auch die Zahl sogenannter Hasskriminalität gegen Frauen. Gemeint sind damit Straftaten, die dezidiert frauenfeindlich motiviert sind. 322 solcher Taten wurden im vergangenen Jahr registriert. Das waren 56,3 Prozent mehr als 2022. In 29 dieser Fälle ging es 2023 um Gewaltstraftaten - eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.

Paus und Faeser hatten für diese Wahlperiode Gesetze zum besseren Schutz von Frauen vor Gewalttätern geplant. Nach dem vorzeitigen Aus der Ampel-Koalition ist nun offen, ob sie kommen. Die Familienministerin gab sich am Dienstag entschlossen, ihr Gesetz für den Ausbau von Hilfs- und Beratungsstellen noch bis zur absehbaren Neuwahl des Bundestags durchsetzen.

Paus will einen Rechtsanspruch auf Hilfe und Beratung für Frauen, die Opfer von Gewalt werden. Dazu müssen bisherige Angebote ausgebaut werden. Paus zufolge gibt es bundesweit rund 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und 600 Beratungsstellen. Das reiche nicht aus, sagte sie. Künftig soll der Bund deswegen unter anderem Frauenhäuser mitfinanzieren. In der kommenden Woche soll das Gesetz durchs Kabinett gehen. Danach hofft Paus auf Unterstützung der Union, um im Bundestag eine Mehrheit zusammenzubekommen.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings (CDU), gab diese Zusage am Dienstag nicht. Er warf der Ampel vor, bislang „nichts Greifbares“ beschlossen zu haben und verwies auf einen im Sommer von der Unionsfraktion eingebrachten Gesetzentwurf, der unter anderem zum Ziel hat, Gewalt gegen Frauen härter zu bestrafen und die elektronische Fußfessel einzusetzen, um Gewalttäter von bedrohten Frauen fernzuhalten.

Für die Fußfessel wirbt auch Innenministerin Faeser. Sie wollte sie durch ein Gewaltschutzgesetz ermöglichen, das auch verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Gewalttäter. Auch hier ist offen, ob die Regelung noch in den nächsten Monaten kommt.