Berlin (epd). An die Novemberpogrome vor 86 Jahren ist am Wochenende in zahlreichen Städten mit Gedenkveranstaltungen erinnert worden. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte in der Hauptstadt, der 9. November stehe wie kaum ein anderer Tag für die wechselvolle Geschichte Berlins und Deutschlands. „Die Novemberpogrome von 1938 zählen zu den dunkelsten Kapiteln dieser Geschichte“, fügte der Regierende Bürgermeister hinzu. Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) mahnte, sich bei heutigen Anfeindungen hör- und sichtbar an die Seite jüdischer Mitbürger zu stellen. An die Novemberpogrome von 1938 wurde am Samstagabend in vielen Städten erinnert, auch etwa in Frankfurt (Oder) und Görlitz.
Die Ermordung von mehr als 1.300 Menschen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die Zerstörung von Geschäften und das Niederbrennen von Synagogen markierten den Beginn der systematischen Verfolgung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Berlins Regierender Bürgermeister Wegner sagte: „Dieser Tag mahnt uns bis heute - und er muss uns mahnen.“
Antisemitismus sei auch heute noch eine Realität, leider auch in Berlin. Der Senat tue alles dafür, dass dieser Hass keinen Raum findet. „Doch es bleibt die Aufgabe von uns allen, Judenhass konsequent entgegenzutreten - unabhängig davon, aus welcher Richtung er kommt und wo er stattfindet“, mahnte Wegner.
Mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen Jüdinnen und Juden über. Dabei wurden zahlreiche Synagogen angezündet, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet und jüdische Bürger misshandelt und getötet.
Brandenburgs Kulturministerin Schüle sagte bei einer Gedenkveranstaltung im Potsdamer Synagogenzentrum, die antisemitischen Übergriffe der vergangenen Monate zeigten verstörend, „dass 1938 nicht so weit entfernt ist, wie wir glaubten“. Für den Schutz jüdischer Mitbürger müsse gemeinsam gesorgt werden, „mit Mut, Zuversicht und Zusammenhalt“.
Stolperstein-Initiator Gunter Demnig sieht derweil trotz jüngster antisemitischer Vorfälle und Vandalismus an jüdischen Gedenkstätten die Erinnerungskultur in Deutschland nicht gefährdet. „Ich denke, dass das Bewusstsein immer stärker wird“, sagte Demnig am Samstag im WDR-Radio.
Demnig verlegt seit 1996 sogenannte Stolpersteine vor einstigen Wohnhäusern von Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und ermordet wurden. In den vergangenen Monaten wurden in mehreren deutschen Städten die in Gehwegen eingelassenen Messingtafeln von Unbekannten beschädigt, beschmiert oder herausgerissen und gestohlen. Demnig zeigte sich davon unbeeindruckt: Herausgerissene Steine würden wieder ersetzt.