Hannover, Braunschweig (epd). Gesundheitsexperten mahnen angesichts neuer Daten zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einen bewussteren Umgang mit digitalen Geräten und sozialen Medien an. Nach einer am Freitag in Hannover vorgestellten Statistik der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hat der Anteil der 6- bis 18-Jährigen mit motorischen Entwicklungsstörungen von 2013 auf 2023 um gut 37 Prozent zugenommen, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um rund 77 Prozent. Bei Sprach- und Sprechstörungen zeige sich ein Plus von 53 Prozent, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar von rund 104 Prozent.
Eine wesentliche Ursache dafür sieht der Braunschweiger Hirnforscher Martin Korte darin, dass mitunter schon kleine Kinder täglich viele Stunden auf Bildschirme schauen. Dies beeinträchtige die Vernetzung der Sprachzentren im Gehirn, was sich negativ auf den Wortschatz und die Sprach- und Lesekompetenz auswirke, sagte Korte. Die Konzentrationsfähigkeit nehme ebenfalls ab.
Korte wies zudem auf psychosoziale Beeinträchtigungen hin, etwa im Hinblick auf die Fähigkeit zur Empathie: „Die Gehirnareale, die spiegeln, was andere Menschen denken und fühlen, entwickeln sich bei übermäßiger Smartphone-Nutzung langsamer, bleiben möglicherweise sogar schlechter ausgeprägt.“ Zudem seien viele Jugendliche durch soziale Medien zwar untereinander „multivernetzt“. Umfragen zufolge fühlten sie sich jedoch einsamer als vorherige Generationen. Einsamkeit führe zu körperlichem Stress, was Depressionen und Angststörungen begünstige. Beides nehme bei 13- bis 20-Jährigen zu.
Die KKH-Zahlen zu motorischen Störungen seien nur „die Spitze des Eisbergs“, sagte der Hirnforscher. „Darunter sitzt eine ganze Pyramide von Kindern, die sich insgesamt weniger gut koordinativ bewegen können.“ Dies korreliere mit einer in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Gewichtszunahme bei Jugendlichen.
Korte betonte die Vorbildfunktion Erwachsener für einen reflektierten Umgang mit digitalen Medien: „Wir müssen alle Vorbilder sein.“ Schulische Regeln zur Smartphone-Nutzung verfehlten ihr pädagogisches Ziel, „wenn zu Hause alle beim Abendessen auf ihr Handy schauen“.
Die Psychologin und Expertin für Medienkompetenz der KKH, Franziska Klemm, rät Eltern, mit ihren Kindern Regeln für die Nutzung sozialer Medien festzulegen und Grenzen zu setzen: „Sprechen Sie aktiv über die Erfahrungen, die Ihr Nachwuchs online macht.“ So könnten Eltern einen selbstbestimmten Umgang mit sozialen Medien fördern.