Foodwatch kritisiert Klima-Werbung der Milchindustrie

Foodwatch kritisiert Klima-Werbung der Milchindustrie
Foodwatch wirft der Milchindustrie Greenwashing bei der Milchherstellung vor. Milch und Milchprodukte verursachten rund dreimal so hohe Klima-Emissionen wie pflanzliche Alternativen. Die Milchindustrie wirbt indes für einen "faktenbasierten Dialog".

Berlin (epd). Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wirft der deutschen Milchindustrie vor, viel stärker zur Klimakrise beizutragen als behauptet. Mit reichweitenstarker Werbung auf Tiktok und Co., eigenen Webseiten und Aktions- und Lehrmaterialen für Kitas und Schulen versuche die Milchindustrie gezielt, die negativen Auswirkungen der Milchproduktion zu verharmlosen, kritisierte die Foodwatch-Expertin Annemarie Botzki am Dienstag in Berlin.

Tatsächlich verursachten Milch und Milchprodukte jedoch rund dreimal so hohe Klima-Emissionen wie pflanzliche Alternativen, wie ein neuer Foodwatch-Report zeige. Der Milchindustrie-Verband (MIV) erklärte dagegen, kaum ein Land produziere so klimaneutral einen Liter Milch wie Deutschland.

In dem Foodwatch-Report heißt es unter anderem, die „Milchlobby“ behaupte zwar gerne, die gesamte Tierhaltung in Deutschland sei für nur fünf Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich und die Rinderhaltung nur für 3,9 Prozent. Offiziell würden die von der Rinderhaltung in Deutschland verursachten Emissionen mit 29 Millionen Tonnen und die der Tierhaltung mit insgesamt 35,5 Millionen Tonnen pro Jahr beziffert. Darin nicht eingepreist seien aber indirekte Emissionen, sagte die Autorin des Reports, Friederike Schmitz, von der agrarpolitischen Denkfabrik Faba Konzepte.

Dazu gehörten etwa Emissionen aus dem Futtermittelanbau, aus der Produktion von Düngemitteln, aus dem Dieselverbrauch sowie aus Landnutzung und Landnutzungsänderungen wie der Trockenlegung von Mooren als Weideflächen. Dann läge allein die Milchproduktion bei 103,3 Millionen Tonnen und die Tierhaltung insgesamt bei 126,6 Millionen Tonnen klimaschädlicher Emissionen.

Foodwatch forderte deshalb, die Zahl der aktuell rund 3,7 Millionen Milchkühe in Deutschland „in kurzer Zeit“ mindestens zu halbieren und den Konsum von Milchprodukten zu reduzieren. „Es geht nicht darum, Milch zu verbieten“, sagte Foodwatch-Expertin Botzki: „Aber wir müssen deutlich weniger Kühe halten und deutlich weniger Milchprodukte essen.“

Laut Schmitz könnten bei einer Reduktion von Milchprodukten von 55 Prozent, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen, jährlich 44,1 Millionen Tonnen Emissionen eingespart werden. Bei 70 Prozent wären es 56,1 Millionen Tonnen, bei 100 Prozent 80,2 Millionen Tonnen. Ersetzt werden könnte die Milch durch Produkte aus Soja, Kichererbsen und Linsen.

Der Milchindustrie-Verband erklärte zu dem Report, es sei „wichtig, in einem faktenbasierten Dialog zu bleiben und emotionale Glaubenskriege aufzulösen“. Die Zahl der Rinder nehme in Deutschland seit Jahren ab, damit würden die Emissionen sinken. Die Vorgabe für die deutsche Landwirtschaft liege bis 2030 bei 56 Millionen Tonnen ⁠CO2⁠-Äquivalenten pro Jahr. Bereits in diesem Jahr übererfülle die Landwirtschaft diese Forderung mit einer Prognose von rund 52 Millionen Tonnen.

Eine Reduzierung der Rinder um 50 Prozent sei das falsche Ziel. Der Verband befürchtet, dass es dann zu einer Abwanderung der Milchindustrie ins Ausland kommen könnte: „Dies würde aus unserer Sicht zu einer klimaschädlicheren Milcherzeugung führen als in Deutschland.“