Marburg (epd). Der Anfang Oktober erschienene „Faktencheck Artenvielfalt“ zeigt, dass viele Arten in Deutschland gefährdet sind. „Wir müssen etwas tun, aber es ist auch einiges möglich“, sagte die Marburger Biologin Nina Farwig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Biodiversitätsforscherin ist eine von 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Erkenntnisse aus etwa 6.000 Publikationen zusammengetragen und weitere Datensätze ausgewertet haben.
Demnach weisen 60 Prozent der Lebensraumtypen in Deutschland einen unzureichenden oder schlechten Zustand auf. Der „Faktencheck Artenvielfalt“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.
Am schlechtesten stehe es um das Agrar- und Offenland, Moore, Moorwälder, Sümpfe und Quellen, erläuterte Farwig. Laut „Faktencheck“ sind ein Drittel der bekannten Arten in Deutschland gefährdet und etwa drei Prozent bereits ausgestorben.
Der Bericht verdeutliche aber auch, dass sich der Verlust der Artenvielfalt mit gezielten Maßnahmen stoppen lasse, resümierte die Mitherausgeberin. So seien in den vergangenen zehn Jahren rund 7.000 Hektar Auenfläche zurückgewonnen worden. „Das zeigt bereits Wirkung.“ Von der Renaturierung von Fluss-Altarmen und Auwäldern profitierten zahlreiche Lebewesen, zudem dienten die Maßnahmen dem Hochwasserschutz: Die Böden wirkten „wie ein Schwamm“, seien also wesentlich besser in der Lage, Wasser aufzusaugen und im System zu halten. „Wir sehen dort, dass die Natur für uns arbeitet.“
Beim Waldumbau sieht die Marburger Professorin ebenfalls Erfolge: Das Belassen von Totholz im Wald fördere die Artenvielfalt, eine vielfältigere Baumarten-Zusammensetzung führe zu mehr Resistenz gegen Trockenjahre.
Auch politisch gehe es in die richtige Richtung. „Mit der Renaturierungsverordnung der EU haben wir ein wichtiges politisches Instrument“. Damit sei der Rückenwind gegeben, wieder zu einer reicher strukturierten Landschaft zu kommen, mit Hecken, Blühflächen, Brachflächen und einer schonenderen Bearbeitung des Bodens.
„Wir müssen lernen, mit der Natur und nicht gegen sie zu wirtschaften“, forderte die Biologin. Das bedeute zum Beispiel, Energie, Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusparen. Das passiere bereits mit modernen Maschinen, die Dünger und Pflanzenschutzmittel gezielter auf die Flächen bringen. „Wir müssen das gesamte System darauf ansetzen, dass wir langfristig denken und Lebensräume für uns und für zukünftige Generationen aufrechterhalten.“