Frankfurt a.M., New York (epd). Weltweit sind laut Unicef mehr als 370 Millionen Mädchen und Frauen vor ihrem 18. Lebensjahr Opfer einer Vergewaltigung oder einer anderen Form sexualisierter Gewalt geworden. Das geht aus einer am Donnerstag von dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen veröffentlichten Schätzung hervor. Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell sprach von einem „Schandfleck auf unserem moralischen Gewissen“.
Unicef zufolge wurden schätzungsweise auch zwischen 240 und 310 Millionen Jungen und Männer Opfer sexualisierter Gewalt. Das Kinderhilfswerk verwies jedoch auf Datenlücken, insbesondere zur sexualisierten Gewalt an Jungen sowie nicht körperlichen Formen sexualisierter Gewalt.
Das UN-Hilfswerk veröffentlichte die nach eigenen Angaben erste globale Schätzung zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder anlässlich des Weltmädchentages am Freitag. Die Erhebung nimmt insbesondere die Lage der Mädchen in den Blick. Die Daten stammen laut Unicef aus nationalen repräsentativen Erhebungen zwischen 2010 und 2022, die 81 Prozent der weiblichen Weltbevölkerung abdecken.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder verursache „tiefe und anhaltende Traumata, oft durch jemanden, den das Kind kennt und dem es vertraut, an Orten, an denen es sich sicher fühlen sollte“, sagte Unicef-Exekutivdirektorin Russell.
Die meisten betroffenen Mädchen und Frauen - 79 Millionen - leben Unicef zufolge in Subsahara-Afrika. Geringfügig weniger waren es jeweils in Ost- und Südostasien (75 Millionen Betroffene) sowie Zentral- und Südasien (73 Millionen Betroffene). In Europa und Nordamerika waren laut dem UN-Hilfswerk 68 Millionen minderjährige Frauen und Mädchen zum Zeitpunkt der Erhebungen einem sexualisierten Übergriff ausgesetzt, in Lateinamerika und der Karibik liegt die Zahl bei 45 Millionen.
Am stärksten gefährdet im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind der Schätzung zufolge Mädchen und Frauen in der Region Ozeanien. Hier wurden sechs Millionen Mädchen und Frauen Opfer einer Vergewaltigung oder einer anderen Form sexualisierter Gewalt, ein Anteil von 34 Prozent in der Altersgruppe. In Afrika südlich der Sahara liegt der Anteil bei 22 Prozent, in Lateinamerika und der Karibik bei 18 Prozent.
Besonders häufig kommt sexualisierte Gewalt gegen Kinder der Schätzung zufolge in Krisen- und Konfliktgebieten vor. Dort sei die Wahrscheinlichkeit, dass junge Frauen einen sexuellen Übergriff erleben müssen, zweimal so hoch wie im globalen Durchschnitt. „Wir erleben schreckliche sexualisierte Gewalt in Konfliktgebieten, wo Vergewaltigung und geschlechtsspezifische Gewalt oft als Kriegswaffen eingesetzt werden“, sagte Russell.
Am höchsten ist das Risiko für die weibliche Bevölkerung laut Unicef in der Jugend. So gebe es einen deutlichen Anstieg sexualisierter Gewalt im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Opfer von Übergriffen seien häufig einem erhöhten Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten sowie anderen Formen physischer oder psychischer Leiden im Erwachsenenalter ausgesetzt.
Das UN-Hilfswerk geht in seiner Schätzung auch auf „berührungslose“ Formen von sexualisierter Gewalt ein. Würden diese online oder verbal ausgeübten Übergriffe hinzugezählt, komme man auf 650 Millionen betroffene Frauen und Mädchen weltweit. Darunter fällt etwa das unfreiwillige Teilen von Nacktfotos.