Zahl der Älteren mit Sozialhilfe-Bezug steigt auf Rekordhoch

Zahl der Älteren mit Sozialhilfe-Bezug steigt auf Rekordhoch
Zunehmend mehr Menschen im Rentenalter erhalten in Deutschland zusätzlich Grundsicherung. Die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht sieht darin ein Zeichen für steigende Altersarmut.

Osnabrück, Berlin (epd). Die Zahl der Senioren in Deutschland, die zusätzlich zu ihrer Rente auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Das geht aus einer Übersicht des Amtes hervor, die von der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) im Bundestag angefragt worden war und die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Zuerst hatte die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag) darüber berichtet.

Im zweiten Quartal 2024 bezogen laut der Statistik 728.990 Senioren die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das ist den Angaben zufolge ein neuer Höchstwert und bedeutet einen Anstieg um rund 37.000 gegenüber dem Vorjahr.

Im Juni 2023 hatten dem Bundesamt zufolge noch 691.820 Senioren Sozialhilfe bezogen. Im Vergleich zu 2015 bedeutet die aktuelle Zahl einen Anstieg um rund 39 Prozent - im Juni 2015 hatten 523.160 Menschen im Rentenalter Sozialhilfe erhalten. Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben Menschen, die eine bestimmte Altersgrenze, derzeit 67 Jahre, erreicht haben und deren Rente nicht für ihren Lebensunterhalt ausreicht. Außerdem erhalten auch Menschen ohne Rentenanspruch im Alter eine Grundsicherung. Dazu zählen beispielsweise Flüchtlinge.

Nach Darstellung der Deutschen Rentenversicherung bezogen Ende 2023 von den insgesamt rund 16,4 Millionen Menschen im regulären Rentenalter knapp 469.000 Rentnerinnen und Rentner zusätzlich eine Grundsicherung. Das entspreche einer Grundsicherungsquote von 2,9 Prozent, teilte die Rentenversicherung am Dienstag mit. Im Vergleich zum Vorjahr habe der Anstieg 0,1 Prozent betragen.

Der Anstieg ist der Deutschen Rentenversicherung zufolge hauptsächlich auf Änderungen bei den Freibeträgen zurückzuführen: Rentnerinnen und Rentner, die mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten nachweisen, können seit Januar 2021 zusätzlich zur Rente Grundsicherung beantragen. Damit werde ein bestimmter Betrag der Rente bei der Grundsicherung nicht angerechnet. Der Freibetrag ist demnach von 2021 bis 2024 mit über 25 Prozent deutlich gestiegen. „Wer also mit seinem Einkommen bisher knapp über einem Grundsicherungsanspruch lag, kann durch den neuen Freibetrag anspruchsberechtigt werden“, schrieb die Deutsche Rentenversicherung.

Außerdem erhielten danach rund 221.000 Menschen im Rentenalter Ende 2023 Grundsicherung und keine Rente. Die Alters-Grundsicherung zahlt das Sozialamt. Den Anstieg in dieser Gruppe sieht die Rentenversicherung vor allem im Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine, die seit Juni 2022 eine Grundsicherung im Rentenalter beantragen.

BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht nannte den Befund den nächsten „Offenbarungseid für die Ampel“. Es sei beschämend, dass immer mehr Rentner zum Sozialfall würden, sagte sie der Zeitung. Das sei eine bittere Bilanz für Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD). Die Dunkelziffer bei der Altersarmut liege vermutlich sogar deutlich höher, da sich „viele Senioren den demütigenden Gang zum Sozialamt“ ersparten.

Das Rentensystem in Deutschland sei eines der leistungsschwächsten in Europa, kritisierte Wagenknecht. „Es produziert millionenfach sozialen Abstieg im Alter.“ Als positives Beispiel nannte sie Österreich, wo ein langzeitversicherter Rentner im Schnitt 800 Euro im Monat mehr erhalte. Das müsse auch in Deutschland möglich sein.