Berlin (epd). Der Berliner Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk ist nach eigenen Worten genervt von der Ostdeutschtümelei seiner Landsleute. Dass noch heute so getan werde, als sei das Schicksal des Ostens einzigartig, dahinter stecke eine Ignoranz gegenüber der Welt und eine Egomanie, sagte der gebürtige Ost-Berliner der „Berliner Morgenpost“ (Samstag): „Die Ostdeutschen vergleichen ihre Lebenssituation immer mit Bayern, Baden-Württemberg oder Hamburg, aber nicht mit dem Stand, aus dem sie kamen.“
In Frankreich, Italien, Portugal und Griechenland gebe es Gebiete, die alle weit von dem Standard entfernt sind, den Ostdeutschland heute habe. „Das nehmen aber die meisten Ostdeutschen nicht zur Kenntnis, weil sie sich für den Mittelpunkt der Welt halten“, sagte der Autor des 2024 erschienen Buches „Freiheitsschock. Eine andere Geschichte Ostdeutschlands“.
Brandenburg, wo am 22. September gewählt wird, sei, so wie der ganze Osten, eine der wohlhabendsten Regionen in Europa: „Das muss man immer wieder betonen. Wenn man das ganze Gejammere hört, kann man ja den Eindruck gewinnen, man lebt in einer Quasi-Diktatur, die im sozialen Abstieg begriffen ist. Alles totaler Kokolores.“
Mit Blick auf die Wahlerfolge von AfD und BSW in Sachsen und Thüringen am 1. September sagte Kowalczuk, wer den beiden Parteien hinterherrenne, der habe offenbar ein verfestigtes rassistisches Weltbild. Es gebe in Ostdeutschland aber auch eine Kontinuität von illiberalen Einstellungen und von autoritären Staats- und Gesellschaftsvorstellungen: „Dafür werden die gewählt.“