Migrationsexperte: Zurückweisen gefährliches Spiel für Einheit in EU

Migrationsexperte: Zurückweisen gefährliches Spiel für Einheit in EU
06.09.2024
epd
epd-Gespräch: Marlene Brey

Wiesbaden, Brüssel (epd). Ein Zurückweisen Asylsuchender an den deutschen Grenzen könnte laut dem Rechts- und Politikwissenschaftler Maximilian Pichl die europäische Einigung gefährden und stünde im klaren Widerspruch zur jüngst reformierten EU-Asylpolitik. Solche Maßnahmen, die aktuell diskutiert werden, drohten die Solidarität innerhalb der EU zu untergraben, sagte Pichl dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Deutschland habe über Jahre vom Dublin-Verfahren profitiert, das die Zuständigkeit für Asylverfahren dem Land der ersten Einreise in der EU zuweist. Ein Alleingang bei der Zurückweisung an der deutschen Grenze würde in anderen EU-Staaten, insbesondere in Ländern wie Italien oder Griechenland, auf wenig Verständnis stoßen, sagte der Professor an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. Das könne einen Dominoeffekt auslösen, bei dem auch andere europäische Länder ihre Grenzen schließen und somit die europäische Rechts- und Asylordnung untergraben.

Zurückweisungen von Asylsuchenden an den innereuropäischen Grenzen seien ohnehin rechtlich kaum umsetzbar, betonte Pichl. Nach dem Dublin-Verfahren müsse geprüft werden, welches EU-Land für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei. Diese Prüfungen könnten nicht im Schnellverfahren an der Grenze erfolgen, da sie Einzelfallentscheidungen erfordern, erklärte er. Zudem müsse das zuständige Land einer Überstellung zustimmen, was den Prozess weiter verzögere.

Die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz, die Zurückweisungen auf eine Notlage zu stützen, ist aus Sicht Pichls kaum durchsetzbar. Zwar sehe das EU-Recht Ausnahmen für Notlagen vor, doch diese erforderten eine europäische Entscheidung und die Zustimmung der Partnerstaaten. Die Idee, dass Deutschland alleine eine solche Notlage ausrufen könnte, werde in anderen EU-Ländern wohl kaum auf Unterstützung stoßen.

Pichl erinnerte zudem daran, dass Staaten wie Ungarn und Österreich ähnliche Schritte versucht hätten, jedoch vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert seien. Eine solche Strategie berge also nicht nur rechtliche Risiken, sondern könnte die europäische Rechtsordnung insgesamt destabilisieren.