Solingen (epd). Der Anschlag von Solingen hat bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine Debatte über politische Konsequenzen ausgelöst. Die Bundesanwaltschaft übernahm am Sonntag die Ermittlungen, nachdem die islamistische Terrororganisation IS den brutalen Messerangriff für sich reklamiert hatte. Am Samstagabend wurde ein 26-jähriger Syrer als mutmaßlicher Täter festgenommen, der Medienberichten zufolge eine Asylgeschichte in Deutschland hat. Die Politik diskutiert nun intensiv über Messergewalt, Migration und eine stärkere Bekämpfung des Islamismus.
Beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Solinger Stadtjubiläum hatte ein Mann am Freitagabend vor einer Bühne mit einem Messer auf Festbesucher eingestochen. Eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren wurden getötet und acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer.
Spitzenvertreter von Staat, Kirche und Gesellschaft äußerten sich erschüttert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte: „Stehen wir zusammen - gegen Hass und Gewalt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb, der Täter müsse „rasch gefasst und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden“. Die Kirchen riefen zu Gebeten auf. Am Samstagabend versammelten sich in Solingen 1.500 Menschen zu einem Gedenken, am Sonntag feierten 700 Menschen einen Trauergottesdienst.
Der mutmaßliche Täter stellte sich am Samstagabend bei der Polizei und gab an, er sei für den Anschlag verantwortlich. „Die Tatbeteiligung dieser Person wird derzeit intensiv geprüft“, teilten die Behörden mit. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich am Samstag in den ARD-„Tagesthemen“ überzeugt, dass der Täter gefasst ist. „Wir haben auch Beweisstücke gefunden“, sagte er.
Ob wirklich die Terrorgruppe IS hinter dem Anschlag steckt, müsse geprüft werden. Der IS hatte erklärt, der Anschlag auf die „christliche Versammlung“ in Solingen sei als „Rache für Muslime in Palästina“ und anderswo verübt worden. Der Festgenommene habe in einer Flüchtlingsunterkunft in Solingen gelebt, in der es am Samstagabend eine Durchsuchungsaktion von Polizei und Spezialkräften gab, sagte Reul.
Nach Informationen des Magazins „Spiegel“ kam der Syrer, der sunnitischer Muslim sei, Ende Dezember 2022 nach Deutschland und stellte in Bielefeld einen Asylantrag. Die Zeitung „Welt“ (Online) berichtete unter Berufung auf Behördenkreise, der Mann habe 2023 von Paderborn nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden sei. Er sei jedoch untergetaucht und Monate später nach Solingen überstellt worden. Die Generalbundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht zu dem 26-Jährigen äußern.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte als Konsequenz aus der Bluttat einen verstärkten Kampf gegen islamistischen Terrorismus an. „Wir werden als Staat auf diesen terroristischen Akt mit aller notwendigen Härte antworten und die islamistische Bedrohung konsequent bekämpfen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).
SPD-Chefin Saskia Esken forderte eine konsequente Abschiebung von Straftätern. Die Innenminister der Länder hätten die Möglichkeit, „die Anwendung von Messerverboten und anlassbezogener Videoüberwachung anzuweisen, und das sollten sie jetzt auch tun“, sagte sie der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz verlangte von der Bundesregierung eine Wende in der Migrationspolitik der Bundesregierung. Laut „Bild“ (Montag) schrieb er in einer Mail an seine Unterstützer: „Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen. In der Mehrzahl der Fälle sind dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stehen islamistische Motive dahinter.“
Es dürften keine Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan mehr aufgenommen werden und in diese Länder solle abgeschoben werden können, forderte Merz. Wer als Flüchtling aus Deutschland in sein Heimatland reise, solle hier umgehend seinen Aufenthaltsstatus verlieren. Zudem solle jeder ausreisepflichtige Straftäter in zeitlich unbegrenzten Abschiebegewahrsam genommen werden.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), plädierte in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ für „anlassunabhängige Messerkontrollen“. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte in der „Bild am Sonntag“ an, dieses Thema voranzubringen. Bislang hatte die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu schärferen Messerverboten abgelehnt.
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte in der „Bild am Sonntag“ ein nahezu komplettes Messerverbot auf Straßen: „Für mich gibt es keinen Grund, warum Menschen Stichwaffen im Alltag mit sich führen. Es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Messer von Deutschlands Straßen und Plätzen verschwinden.“