Potsdam (epd). Die 1732 eingeweihte evangelische Garnisonkirche gehörte einst zu den bekanntesten Wahrzeichen Potsdams. 1933 wurde die preußische Militärkirche am „Tag von Potsdam“ von den Nationalsozialisten zur Inszenierung der Reichstagseröffnung genutzt, Hitler gab dort eine Regierungserklärung ab. 1945 brannte die Barockkirche nach einem alliierten Luftangriff aus. 1968 wurde die Ruine in der DDR abgerissen, der Turm wurde gesprengt. Später gab es - begleitet von anhaltender Kritik und Protesten - verschiedene Anläufe zum Wiederaufbau. 2017 haben die Bauarbeiten am neuen Turm begonnen. Am Donnerstag wird er mit einem Festakt und einer Ansprache von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet. Ab Freitag soll er für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Eine Chronologie zeichnet den Wiederaufbau nach:
1984: Im westdeutschen Iserlohn gründen konservative und extrem rechte Bundeswehroffiziere um den Oberstleutnant Max Klaar die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ (TPG). Ziele sind die Wiederherstellung des Glockenspiels und im Fall einer Wiedervereinigung auch der Wiederaufbau der Garnisonkirche.
1990: Nach dem Ende der DDR spricht sich die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung für den Wiederaufbau der Kirche in einer wirtschaftlich gesicherten Zukunft aus. Die TPG beginnt, Spenden dafür zu sammeln. Aus der evangelischen Kirche werden mit Blick auf die Geschichte der Garnisonkirche Bedenken geäußert.
1993: Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Potsdam lehnt den Wiederaufbau ab. Widerspruch gegen die Aufbaupläne hält in Kirche und Stadt auch in den folgenden Jahren an.
2000: Die Kreissynode entscheidet mit knapper Mehrheit, sich nun doch an den Planungen für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu beteiligen. Erwogen wird unter anderem eine Nutzung als Beratungsstelle für Kriegsdienstverweigerer oder für die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht. Die konservativen Initiatoren des Wiederaufbaus lehnen dies ab.
2001: Ein erstes kirchliches Nutzungskonzept als Friedens- und Versöhnungszentrum wird vorgestellt. Damit soll auch verhindert werden, dass das Bauwerk wie von Kritikern befürchtet zum Anziehungspunkt für Neonazis wird. Die Kreissynode spricht sich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche als internationales Versöhnungszentrum aus. Bedingung ist unter anderem die Gründung einer kirchlichen Stiftung als Eigentümerin.
2004: Eine neue, von der TPG unabhängige Fördergesellschaft wird gegründet. Am 15. Februar wird nach Vorbild des Engagements für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche der „Ruf aus Potsdam“ unterzeichnet und eine eigene Spendensammlung gestartet.
2005: Ein weiteres kirchliches Nutzungskonzept wird vorgestellt. Empfohlen wird die Wiedererrichtung als Ort besonderer Gottesdienste, als Versöhnungszentrum und Veranstaltungsraum. Vorgesehen ist eine „weitgehend originalgetreue Wiederherstellung“ der Kirche in ihrer „ursprünglich-schlichten calvinistischen Gestalt“. Kreissynode und Berliner Kirchenleitung billigen das Konzept. Am 14. April, dem 60. Jahrestag des Luftangriffs auf Potsdam, wird symbolisch der Grundstein gelegt.
2008: Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschließt, der geplanten kirchlichen Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche beizutreten und das historische Grundstück im Stadtzentrum in das Stiftungsvermögen einzubringen. Am 23. Juni, dem 40. Jahrestag der Sprengung, wird die Stiftung Garnisonkirche Potsdam gegründet.
2011: Die konkrete Bauplanung durch beauftragte Architekten beginnt. Gegner gründen die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“. Am historischen Standort der Barockkirche wird eine moderne, provisorische Kapelle eröffnet.
2012: Bei der Umfrage zum Potsdamer Bürgerhaushalt bekommt die Forderung, keine öffentlichen Mittel für die Garnisonkirche auszugeben, mehr als 8.000 Stimmen und landet damit auf dem ersten Platz der Prioritätenliste.
2013: Der Haushaltsausschuss des Bundestags bewilligt 400.000 Euro aus einem Denkmalschutz-Sonderprogramm für die Garnisonkirche. Die Stadt Potsdam erteilt die Baugenehmigung. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) kündigt zwölf Millionen Euro Bundesmittel für den Wiederaufbau an.
2014: Die Gegner des Wiederaufbaus starten in Potsdam ein Bürgerbegehren, das innerhalb weniger Wochen von knapp elf Prozent der Wahlberechtigten unterstützt wird und mehr als 14.000 gültige Unterschriften bekommt. Das erfolgreiche Bürgerbegehren hat jedoch aus rechtlichen Gründen keine Folgen für das Bauprojekt. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ruft zu Spenden für die Garnisonkirche auf. Die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ wird gegründet.
2017: Der Beginn der Bauarbeiten für den neuen Garnisonkirchturm wird Ende Oktober mit einem Gottesdienst am Baufeld gefeiert - begleitet von Protesten, die mehrere Strafverfahren nach sich ziehen.
2019: Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschließt weitere Mittel in Millionenhöhe für den Garnisonkirchturm.
2020: Kritiker des Wiederaufbaus eröffnen in einem als Kreativzentrum genutzten DDR-Bau unmittelbar neben der Baustelle den „Lernort Garnisonkirche“ und starten eine gleichnamige Internetplattform. Beteiligt sind verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
2022: Weitere Bundesmittel in Millionenhöhe für den neuen Garnisonkirchturm werden bewilligt.
2024: Der inzwischen knapp 60 Meter hohe neue Garnisonkirchturm wird eröffnet. Zum Festakt am 22. August wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet, der seit 2017 Schirmherr ist. Die Fertigstellung des kompletten Turms mit Turmhaube und knapp 90 Metern Höhe ist für 2026 angekündigt. Die rund 42,5 Millionen Euro Baukosten werden zu mehr als der Hälfte aus Bundesmitteln finanziert, fünf Millionen Euro kommen aus kirchlichen Darlehen.