Diskussion über Abschiebungen nach Afghanistan hält an

Diskussion über Abschiebungen nach Afghanistan hält an
Die Debatte um die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern auch in unsichere Länder geht weiter. Das Bundesinnenministerium sucht nach Wegen, wie das praktisch überhaupt funktionieren soll. Die Prüfung könnte noch einige Zeit dauern.

Berlin (epd). Nach der tödlichen Messerattacke eines mutmaßlichen Islamisten geht die Debatte über Abschiebungen schwerer Straftäter auch in Länder wie Afghanistan und Syrien weiter. Während Vertreter von SPD und CDU am Mittwoch ihre entsprechenden Forderungen bekräftigten, blieben die Grünen bei ihrer Skepsis gegenüber solchen Verfahren. Das Bundesinnenministerium betonte, Abschiebungen von Gewalttätern und Gefährdern forcieren zu wollen. Wann das gelingen könnte, blieb aber offen.

Ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies auf die inzwischen in Kraft getretenen verschärften Abschieberegeln, die auch dazu dienen sollten, solche Menschen außer Land zu bringen. Er räumte ein, dass dabei im Fall von Afghanistan und Syrien rechtliche und praktische Fragen noch zu klären seien. Es gehe etwa um die Frage, wann die Bundespolizei wieder Menschen in die Region bringen könne, sagte er. Nach seinen Worten prüft das Ministerium „seit geraumer Zeit“ die Möglichkeit für Abschiebungen nach Afghanistan. Diese Prüfung werde so lange andauern, bis sich die Begebenheiten geändert haben, sagte er mit Blick auf die Lage in Afghanistan.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts schilderte diese Lage mit drastischen Worten. Die Taliban hätten in Afghanistan ein menschenverachtendes Regime errichtet. Er sprach von einem „grausamen Willkürsystem“ ohne rechtsstaatliche Regeln. Zudem seien in dem Land mehr als 20 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour warnte im MDR vor Verhandlungen mit den Taliban. „Wenn man eine islamistische Regierung, die nirgendwo auf der Welt anerkannt ist, anerkennt, dann ist das erst einmal ein gigantischer Rückenwind für den Islamismus“, sagte er. Die Taliban verlangten zudem bei Verhandlungen in erster Linie Geld. „Wenn wir Islamisten Geld geben, können sie damit Netzwerke aufbauen“, sagte Nouripour.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, hält deshalb Abschiebungen nach Afghanistan für kontraproduktiv. In der Vergangenheit habe man alles dafür getan, dass bestimmte radikalisierte Täter nicht in spezielle Länder ausreisen, um sich dort noch weiter zu radikalisieren. Deswegen könne sie sich nicht vorstellen, „dass wir die da jetzt auch noch proaktiv hinfliegen, damit sie in genau diese Netzwerke hineingehen, wo sie eine Sicherheitsbedrohung für Deutschland, aber auch für Europa weiterhin darstellen“, sagte Mihalic.

Zudem sei es aus der Sicht der Opfer und Hinterbliebenen „völlig inakzeptabel“, solche Leute in die Freiheit zu entlassen. Sie gehörten rechtsstaatlich abgeurteilt und bestraft, sagte Mihalic. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, es gehe nicht um ein „Entweder-Oder“. Schwere Straftäter müssten in der Regel mindestens ein Drittel der gegen sie verhängten Strafe verbüßen, bevor sie abgeschoben werden könnten, bei Mördern seien das also mindestens zehn Jahre Gefängnis.

Der thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) hält die Abschiebung von Straftätern und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan grundsätzlich für möglich. Für Abschiebungen in das Land müsse man „keine Deals mit den Taliban“ machen, sagte er im Deutschlandfunk. Er warb dafür, mit Nachbarländern zu reden und nannte beispielhaft Pakistan. Auch von dort aus würden Menschen nach Afghanistan abgeschoben. An Abschiebungen aus angrenzenden Ländern nach Afghanistan könne sich Deutschland beteiligen.

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm (CDU), warf Faeser vor, es mit den Abschiebungen nicht ernst zu meinen. „Obwohl auf sogenannter technischer Ebene schon länger Kontakte zur Regierung in Afghanistan bestehen, hat ihr Ministerium alle Vorstöße der Union schlichtweg abgebügelt“, sagte er.

Deutschland hatte Abschiebungen nach Afghanistan nach dem Wiedererstarken der radikalislamischen Taliban 2021 ausgesetzt. Nach der Gewalttat eines mutmaßlichen Islamisten aus Afghanistan in Mannheim, bei der ein Polizist getötet wurde, ist die Debatte über die Wiederaufnahme der Abschiebungen neu entbrannt.