Wiesbaden (epd). Jeder dritte Mensch in Deutschland zwischen 18 und 53 Jahren fühlt sich zumindest zeitweise einsam. Im Jahr 2013 hätten noch 14,5 Prozent bei einer repräsentativen Befragung angeben, zumindest teilweise einsam zu sein, sagte Sabine Diabaté vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Mittwoch in Wiesbaden. Ende 2022 seien es 36,4 Prozent gewesen, 17 Prozent hätten angeben, sehr einsam zu sein.
Einsamkeit bedeute Stress, berge gesundheitliche Risiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und eine geringere Immunabwehr, erklärte Diabaté. Einsame Menschen hätten zudem ein höheres Risiko, sich zu radikalisieren.
Mit Beginn der Corona-Pandemie sei der Einsamkeitswert bei der untersuchten Bevölkerungsgruppe auf 46,7 Prozent angestiegen, sagte die Mitautorin einer aktuellen Einsamkeitsstudie des BiB. Trotz des Wegfalls der Kontaktbeschränkungen sei bis Anfang 2023 kaum eine soziale Erholung zu verzeichnen gewesen: In der postpandemischen Phase bleibe die Einsamkeit auf hohem Niveau bestehen, es zeichne sich eine Tendenz zur Chronifizierung ab, sagte Diabaté. Während Frauen eher von emotionaler Einsamkeit betroffen seien, das heißt einer fehlenden Vertrauensperson, treffe Männer stärker die soziale Einsamkeit, also fehlende Kontakte.
Risikofaktoren für Einsamkeit sind nach den Worten von Martin Bujard, stellvertretender Direktor am BiB, unter anderem fehlende Erwerbstätigkeit, das Alleinleben und Krankheit. Schutzfaktoren wiederum seien eine hohe Bildung, ein gutes Einkommen, die deutsche Staatsangehörigkeit und eine tägliche Internetnutzung. Hier komme es allerdings auf die Dosis an. Die reale Welt solle nicht gegen die virtuelle Welt getauscht werden.
Bujard appellierte, „aufeinander aufzupassen“ und Mitmenschen zu integrieren. Allerdings trage auch jeder eine Eigenverantwortung und sollte sich bemühen, soziale Kontakte in sein Leben einzubauen. Die Politik forderte er auf, niedrigschwellige Hilfsangebote zu schaffen sowie Kurse für Sozialkompetenz in Schulen und Universitäten anzubieten. Klassenfahrten und Ausflüge mit Schulklassen oder Präsenzveranstaltungen an den Universitäten könnten gegen Einsamkeit helfen.