Gravierender Anstieg antisemitischer Vorfälle in Berlin

Gravierender Anstieg antisemitischer Vorfälle in Berlin
Meldestelle verzeichnet sprunghafte Zunahme auch in Hessen
Die Meldestelle Antisemitismus (RIAS) hat in Berlin und Hessen einen sprunghaften Anstieg judenfeindlicher Vorfälle registriert. Beschimpfungen und Angriffe gehören seit dem 7. Oktober zum Alltag von Jüdinnen und Juden.

Berlin (epd). Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hat 2023 insgesamt 1.270 antisemitische Vorfälle in Berlin dokumentiert. Das sei ein Anstieg um knapp 50 Prozent im Vergleich zu 2022 und die höchste Anzahl antisemitischer Vorfälle in der Bundeshauptstadt innerhalb eines Kalenderjahres, sagte Projektleiterin Julia Kopp am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des RIAS-Jahresberichtes. Auch der RIAS-Landesverband in Hessen meldete einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Übergriffe.

Eine Zäsur seien die Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 gewesen, sagte Kopp. Seitdem registriert RIAS Berlin durchschnittlich rund zehn antisemitische Vorfälle pro Tag. Insgesamt dokumentierte die Meldestelle zwischen dem 7. Oktober und dem Jahresende 783 Vorfälle in der Hauptstadt. Das waren etwa 62 Prozent aller Meldungen des Jahres. Die meisten Vorfälle gab es in den Berliner Bezirken Mitte (189), Friedrichshain-Kreuzberg (126) und Neukölln (118).

Die Vorfälle seien zudem gewalttätiger geworden, sagte Kopp. Insgesamt wurden 34 antisemitische Angriffe bekannt, darunter der versuchte Brandanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum Kahal Adass Jisroel (KAJ) in Berlin-Mitte in der Nacht zum 18. Oktober. In einem anderen Fall wurden beispielsweise zwei Hebräisch sprechende Personen in einer Bar von einem Unbekannten mit einem Böller beworfen.

Hotspots antisemitischer Eskalationen seien mit 25 Vorfällen auch Universitäten, sagte Kopp. Neben israelfeindlichen Versammlungen und antisemitischen Schmierereien erlebten jüdische und israelische Studierende auch direkte Anfeindungen von Mitstudierenden. Auch an Schulen würden jüdische und israelische Kinder vermehrt von Mitschülern angegriffen, bedroht oder beschimpft.

Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn sagte, Berlin sei seit dem 7. Oktober auch die Hauptstadt antisemitischer Eskalationen. Im Hass auf Israel und die Juden hätten sich auf den Straßen, im Kunstbetrieb und an den Hochschulen aggressive Allianzen zwischen Islamisten, Linken, Rechten und der bürgerlichen Mitte gebildet. Dabei sei Antisemitismus genuin demokratiefeindlich, warnte Salzborn.

RIAS Hessen verzeichnete für den Zeitraum zwischen 7. Oktober und Jahresende fast doppelt so viele Fälle wie im gesamten Vorjahr. Für das gesamte Jahr 2023 gingen 528 antisemitische Vorkommnisse in die Statistik ein, wie es in dem am Mittwoch in Wiesbaden vorgestellten Bericht des Landesverbandes heißt.

Der Report zählt einen verhinderten Anschlag, 16 körperliche Angriffe, 33 Bedrohungen und 32 Fälle von Sachbeschädigung auf, worunter beispielsweise das Verbrennen von Israel-Flaggen gezählt wurde. 426 Fälle wurden von RIAS Hessen als „verletzendes Verhalten“ eingestuft, darunter auch solche unterhalb der Strafbarkeitsgrenze.

Über 200 der aufgeführten Vorkommnisse hätten sich gegen konkrete Einzelpersonen gerichtet. Eindeutiger geografischer Schwerpunkt der gemeldeten antisemitischen Fälle (224) lag dem Bericht zufolge in Frankfurt am Main, es folgen Marburg (45), Kassel und Wiesbaden (jeweils 38).