"Militärischer Arm" der Terror-Gruppe um Prinz Reuß vor Gericht

"Militärischer Arm" der Terror-Gruppe um Prinz Reuß vor Gericht
400.000 Seiten Ermittlungsakten, 600 Seiten Anklageschrift: Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen neun Angeklagte aus der mutmaßlichen Terror-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen.
29.04.2024
epd
Von Matthias Pankau (epd)

Stuttgart (epd). Der Andrang vor dem Gerichtsgebäude war so groß, dass die Verhandlung am Montag mit einer Stunde Verspätung begann. Gegen 10 Uhr wurden die neun Angeklagten nacheinander und in Handschellen in Sitzungssaal 1 des Oberlandesgerichts Stuttgart geführt. Einer verdeckte dabei sein Gesicht, ein anderer grüßte lächelnd anwesende Zuschauer im Publikum. Nach Feststellung der Personalien durch den Vorsitzenden Richter Joachim Holzhausen begann die Bundesanwaltschaft, die Anklageschrift zu verlesen. (AZ: 3 St 2 BJs 445/23)

Den Männern wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein sowie ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben. Einigen Angeklagten wird zudem illegaler Waffenbesitz zur Last gelegt; einem werden außerdem versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er habe bei einer Wohnungsdurchsuchung in Reutlingen auf Polizisten geschossen.

Bei einer großen Razzia gegen mutmaßliche „Reichsbürger“ im Dezember 2022 waren rund 150 Wohnungen von Personen rund um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß durchsucht worden, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben sollen. Die Angehörigen der Vereinigung habe eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung verbunden. Den Mitgliedern sei bewusst gewesen, dass die geplante gewaltsame Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden gewesen wäre, so die Bundesanwaltschaft, die zuvor 400.000 Seiten Ermittlungsakten gesichtet und zu einer 600 Seiten zählenden Anklageschrift gebündelt hatte.

In Stuttgart ist vor allem der als „militärischer Arm“ bezeichnete Teil der Vereinigung angeklagt. Er hätte die Machtübernahme mittels Waffengewalt durchführen sollen, hieß es. So sollen sich die Angeklagten am Aufbau sogenannter „Heimatschutzkompanien“ beteiligt haben. In ganz Deutschland sollen einzelne Mitglieder geplant haben, eigene militärisch organisierte Gruppen aufzubauen. Besonders fortgeschritten soll eine der Gruppen im Raum Tübingen gewesen sein. Insgesamt stellten die Ermittler laut Anklageschrift bis heute mehr als 380 Schusswaffen sowie knapp 350 Hieb- und Stichwaffen sicher. Sie fanden auch Nachtsichtgeräte, Handfesseln und Satellitentelefone.

Wie ferner aus sichergestellten und vor Gericht verlesenen Dokumenten hervorging, hatten einige der Angeklagten Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben. Demnach galt die Weitergabe von Geheimnissen als Hochverrat, auf den die Todesstrafe stand.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat vorerst bis Mitte Januar 2025 Verhandlungstermine angesetzt. Die dortige Verhandlung ist Auftakt zu einem Prozess-Marathon. Der Generalbundesanwalt hat gegen 18 weitere mutmaßliche Mitglieder Anklage bei den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main und München erhoben. In Frankfurt soll der Prozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Gruppe am 21. Mai beginnen; in München der Prozess gegen acht weitere Angeklagte am 18. Juni. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung. Sollten sie verurteilt werden, drohten ihnen langjährige Haftstrafen.