Wiesbaden (epd). Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist 2023 das zweite Jahr infolge wieder gestiegen. Bundesweit wurden rund 106.000 Abtreibungen vorgenommen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Das entspricht einem Anstieg um rund 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Von 2021 zu 2022 hatte sich die Zahl der Abtreibungen bereits um 9,9 Prozent auf etwa 104.000 erhöht. Anhand der vorliegenden Daten lasse sich keine klare Ursache für die weitere Zunahme im Jahr 2023 erkennen, erklärte das Bundesamt.
Gründe für den Schwangerschaftsabbruch sehen Expertinnen und Experten in den gesellschaftlichen Umständen in den vergangenen Jahren. Bei der Beratungsorganisation donum vitae hieß es auf epd-Anfrage: „Unsere Beraterinnen nehmen seit längerer Zeit verstärkt wahr, vor welchen sozialen und finanziellen Nöten und Belastungen die Klientinnen und ihre Familien stehen. Fehlender Wohnraum und keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten sind zum Beispiel Thema in der Beratung.“ Gefühle der Überforderung und Überlastung würden vermehrt erwähnt, besonders seit der Pandemie, sagte eine Sprecherin.
Sieben von zehn Frauen, die im vergangenen Jahr einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, waren zwischen 18 und 34 Jahren alt. 19 Prozent waren im Alter zwischen 35 und 39 Jahren. Acht Prozent der Frauen waren 40 Jahre und älter, drei Prozent jünger als 18 Jahre. 42 Prozent der Frauen hatten laut Bundesamt vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.
Für die Statistiker auffällig ist ein Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche in den jüngeren Jahrgängen im Zehnjahresvergleich. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche je 10.000 Frauen ging bei den 15- bis 17-jährigen Frauen von 28 im Jahr 2013 auf 23 im Jahr 2023 zurück, bei den 20- bis 24-Jährigen von 102 auf 93. Bei den 30- bis 34-jährigen Frauen stieg diese Quote hingegen von 87 im Jahr 2013 auf 92 im Jahr 2023, bei den 35- bis 39-Jährigen von 66 auf 76.
Seit der letzten Änderung des Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch 1996 sinken die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland auf lange Sicht betrachtet. 1997 gab es rund 130.900 Abtreibungen, das entsprach einer Quote von 66 je 10.000 Frauen im gebärfähigen Alter. 2001 gab es einen zwischenzeitlichen Anstieg der Abbrüche auf 135.000, die Quote je 10.000 Frauen im gebärfähigen Alter lag damals bei 68. Im Jahr 2023 betrug diese Quote 63.
Derzeit sind Abtreibungen in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, innerhalb einer bestimmten Frist und nach einer Beratung aber straffrei. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte in der vergangenen Woche eine Reform des Abtreibungsrechts empfohlen. Das Gremium rät, Abtreibungen im frühen Stadium der Schwangerschaft zu erlauben und nicht mehr im Strafrecht zu regulieren.
Die Bundesregierung ließ offen, ob sie noch in der laufenden Legislaturperiode eine Gesetzesänderung in Angriff nimmt. Sie strebt einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens an.