Münster (epd). Der Kirchenrechtler Thomas Schüller findet den Aufruf der deutschen katholischen Bischöfe bedenklich, die AfD nicht zu wählen. Es sei sinnvoller, anstatt bestimmter Parteien ein konkretes Verhalten als unvereinbar mit dem Glauben zu benennen, etwa Rassismus, Antisemitismus oder Frauenfeindlichkeit, sagte der Theologieprofessor an der Universität Münster am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Es gibt viele konservative katholische Christinnen und Christen, die lange in der CDU und CSU heimisch waren, und sich nun von den Punkten zu klassischer Familie oder zu Abtreibung im AfD-Programm angezogen fühlen“, erklärte Schüller. Er erwarte daher eine innerkatholische Auseinandersetzung über die Empfehlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und über den Umgang mit der AfD.
Am Donnerstag hatte die DBK erklärt, die AfD sei für Christen nicht wählbar. Wer Parteien wähle, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingeschätzt würden, der stelle sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in Deutschland, erklärten die Bischöfe. Schüller sagte, offensichtlich habe die DBK gemeint, angesichts der weit fortgeschrittenen Radikalisierung der AfD nicht mehr schweigen zu können.
Die Frage sei, ob die Erklärung der Bischöfe für die AfD eine Opferrolle schaffe, „was diese Partei ja perfekt beherrscht“, sagte der katholische Theologe, oder ob sie ein Anlass zum Nachdenken sei für Menschen, die zur Wahl dieser Partei neigten. Um ein Nachdenken zu erreichen, solle die DBK eher klarmachen, welche Einstellungen und Menschenbilder mit dem Katholizismus nicht vereinbar seien.
Hingegen könne die Kirche durchaus verfügen, dass Menschen mit bestimmten Positionen nicht in katholischen Gremien oder Vereinen vertreten sein dürften. „Es ist ja niemand gezwungen, jeden aufzunehmen“, sagte Schüller. Auch solche Unvereinbarkeitserklärungen sollten aber nicht an Parteimitgliedschaften festgemacht sein, sondern an konkretem rassistischem oder antisemitischem Verhalten.
Schüller sagte, er erwarte nun ein Nachziehen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): „Realpolitisch ist die EKD ja jetzt unter Zugzwang.“ Er empfehle den protestantischen Kirchen jedoch, lieber die Gefahr einer Radikalisierung zu benennen und die eigenen Grenzen deutlich zu machen, als vor einer bestimmten Partei zu warnen.