Neustadt am Rübenberge (epd). Der seit zwei Jahren andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine löst nach Ansicht der Psychologin Olena Gorodyska bei vielen Geflüchteten Gefühle der Machtlosigkeit aus. Zugleich beobachtet die Psychologin eine positive Veränderung der mentalen Gesundheit, wie sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. „Fast jeder meiner Klienten hat mehr Gleichgewicht gefunden. Sie sind entspannter und schauen vorwärts.“
Gorodyska ist selbst vor knapp zwei Jahren aus Kiew nach Deutschland geflohen. Heute berät die studierte Psychologin andere Geflüchtete in den Migrationszentren „Hope“ der Diakonie in Neustadt, Burgdorf und Hemmingen bei Hannover. „Wir versuchen den Flüchtlingen zu vermitteln, dass sie im Hier und Jetzt leben sollten“, sagte Gorodyska auf Englisch. Sie empfehle ihnen, die Zeit in Deutschland zu nutzen, indem sie die Sprache lernen, arbeiten oder sich ehrenamtlich engagieren.
Für die Geflüchteten sei der Krieg am Anfang das bestimmende Thema gewesen. Manche hätten damit gehadert, dass sie ihr Land verlassen haben, sagte Gorodyska. „Manche dachten: Ich hätte bleiben, helfen und nützlich sein können. Ich bin nicht stark genug gewesen, um zu bleiben, ich bin weggelaufen.“ Auch hätten manche der Dagebliebenen den Geflohenen Vorwürfe gemacht.
In dieser Situation seien viele Ukrainer, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, zunächst in eine Starre verfallen. „Sie blieben zu Hause und haben gar nichts gemacht. Sie waren wie blockiert“, erläuterte Gorodyska. In einer solchen Situation kreisten die Gedanken immer wieder um den Krieg. Doch die Zeit helfe, die neuen Lebensumstände zu akzeptieren. „Die Probleme sind noch da, aber sie sind zurückgetreten.“
Mittlerweile hätten viele Geflüchtete ihre Perspektive gewechselt. „Sie denken mehr darüber nach, was sie hier in Deutschland machen können. Wie kann ich helfen, wie und wo kann ich arbeiten? Sie haben angefangen zu leben und das ist das beste Ergebnis.“ In ihrer Beratung versuche sie, die Menschen dabei zu ermutigen, sagte sie. Sie sollten nicht das Gefühl haben, die Zeit in Deutschland sei eine verlorene Zeit.
Wie ihre Landsleute habe auch sie gehofft, dass der Krieg schnell zu Ende geht, sagte die Psychologin. „Am Anfang dachten wir alle, dass es nur eine Frage von Monaten sei. Dann zeigte sich die Realität.“ Viele Ukrainerinnen seien allein mit ihren Kindern geflüchtet, während ihre Ehemänner nach wie vor in der Armee seien, sagte Gorodyska. „Das ist die häufigste und dramatischste Situation.“ Über die Distanz sei es schwierig, den Kontakt aufrechtzuerhalten.