Ahlhorn, Kr. Oldenburg (epd). Die Suchtexpertin Angela Wenzel warnt vor den Folgen der absehbar legalen Abgabe von Cannabis für Kinder und Jugendliche. „Wenn Erwachsene diese Drogen legal konsumieren dürfen, werden die Gefahren des Konsums für junge Menschen verharmlost. Von einer Vorbildfunktion Erwachsener kann dann nicht mehr die Rede sein“, sagte die Chefärztin der diakonischen Dietrich-Bonhoeffer-Klinik in Ahlhorn bei Oldenburg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Cannabis verändere die Hirnreife bei Kindern und Jugendlichen und könne im schlimmsten Fall zu nicht reversiblen Störungen wie Depressionen, Ängsten oder Psychosen führen.
Die Ampelkoalition hatte sich am Freitag in der Frage der Legalisierung geeinigt. Das entsprechende Gesetz solle noch im Februar durch den Bundestag verabschiedet und anschließend vom Bundesrat bestätigt werden. Das Gesetz könnte dann bereits zum 1. April in Kraft treten, hieß es.
Wenzel zufolge sind in Kanada nach der Legalisierung von Cannabis bei jungen Menschen deutlich vermehrt cannabisbezogene - organische sowie psychische - Störungen aufgetreten. Dabei habe das Land enorme Summen in Informationskampagnen, sowie in Präventions- und Interventionsangebote investiert. „Hierzulande werden dagegen derzeit die Gelder für die Präventionsarbeit eher gestrichen. Aus meiner Sicht ist hier Gefahr im Verzug. Die derzeitigen Behandlungsangebote für Jugendliche sind deutschlandweit eklatant unterversorgt. Der Jugendschutz wird nicht gewahrt.“
Gerade in den sozialen Medien tummelten sich zuhauf „Pseudowissenschaftler, die gefährliches Halbwissen über Cannabis verbreiten“. Dort müsse die Präventionsarbeit in einer jugendgerechten Art und Weise ansetzen. „Dafür muss mehr Geld zur Verfügung stehen“, mahnte die Expertin.
Die meisten Erwachsenen wüssten zumindest ungefähr, worauf sie sich beim Konsum von Cannabis einlassen. „Aber Kinder und Jugendliche verfügen nicht über dieses Wissen. Sie können nicht abschätzen, welche Gefahren der Cannabis-Konsum birgt“, betonte die Chefärztin. Sie verglich die gegenwärtige Diskussion um die Legalisierung mit der Tabak-Werbung der 1960er Jahre. Auch damals hätten Mahner schon vor Krebs durch Zigaretten gewarnt. Doch habe sich die Tabak-Lobby durchgesetzt.
Wenzel warnte weiter vor einem nicht zu unterschätzenden Todesrisiko bei Jugendlichen durch den Cannabis-Konsum. Dies betreffe nicht nur die Gefahr von Unfällen, weil die Heranwachsenden unter Cannabis zu riskanten Verhaltensweisen neigten. „Suizid ist bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach Unfällen die zweithäufigste Todesart.“ Bei vielen Suiziden von Kindern und Jugendlichen spiele Cannabis eine Rolle.