Bremen (epd). Zusammen mit Verbündeten hat die Bremer Frühpädagogin Ilse Wehrmann einen Vorstoß zur Überwindung der bundesweiten Kita-Krise unternommen. „Wir brauchen an erster Stelle einen nationalen Bildungsgipfel, um das Ruder herumzureißen - ein Gipfel mit Kanzler, Ministerpräsidenten, Kultusministern und Fachleuten“, sagte Wehrmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihre Forderungen hat sie in einem offenen Brief zusammengefasst, der unterstützt durch den Freiburger Herder-Verlag in diesen Tagen an alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten geht.
Die Anstrengungen in der Politik seien bisher nicht ausreichend gewesen, um die Krise mit Personalnot und hunderttausenden fehlenden Kita-Plätzen zu verhindern, kritisierte die 73-jährige Expertin, die als Beraterin in der Politik und für Unternehmen tätig ist. Die Lage in vielen Einrichtungen sei desaströs. Trotzdem gebe es gute Kitas, die allerdings oft von der Finanzkraft der Kommune und dem Familienbild des Bürgermeisters abhängig seien: „Das darf nicht sein. Wir brauchen unter anderem bundesweit gültige Standards, die in einem Kita-Qualitätsgesetz festgeschrieben werden.“
Im vergangenen Jahr hatte Wehrmann im Herder-Verlag eine Streitschrift unter dem Titel „Der Kita-Kollaps“ vorgelegt. Unter dem Titel „Die gute Kita“ erscheint nun am 12. Februar ein Nachfolge-Buch, in dem sie zusammen mit anderen Expertinnen und Experten beschreibt, was nötig ist, um die Situation spürbar zu verbessern.
„In den ersten sechs Jahren werden die Grundlagen für unser Land gelegt - mit der Erziehung der Kinder“, betonte Wehrmann. Die Kinder seien die Zukunft und gehörten deshalb mit den Erziehenden „an die erste Stelle der Gesellschaft“. Doch die Realität sei eine andere, die gesellschaftliche Wertschätzung für die Arbeit in den Kindertagesstätten entspreche längst nicht ihrer Bedeutung: „Der Bildungsgipfel kann ein Startschuss sein, um das zu ändern.“
Wehrmann verwies auf Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung, nach denen in Deutschland fast 430.000 Kita-Plätze fehlen, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen. Um wirkungsvoll gegenzusteuern, brauche es „eine Art Erweckungsbewegung“ und „eine Revolution von unten“: „Eltern, Großeltern, Kinder und Erziehende müssen gemeinsam auf die Straße gehen. Wir werden kämpfen müssen, denn in Deutschland gibt es keine Leidenschaft mehr für Kinder. Dabei sind gute Kitas doch elementar für die Bildungsgesellschaft.“
Um gute Kitas zu erreichen, müsse der Beruf der Erziehenden attraktiver gemacht werden - unter anderem durch nicht zu große Gruppen, eine bezahlte Ausbildung, multiprofessionelle Teams und den weiteren Ausbau von Kita- und Ausbildungskapazitäten. Trotz Krise bleibt Wehrmann optimistisch: „Die Anstrengung ist groß, aber wir können es schaffen, wenn wir ein breites gesellschaftliches Bündnis zusammenbringen.“