Berlin (epd). Kronprinzessin Victoria von Schweden hat angesichts bedrückender aktueller Kriege und Krisen zur gemeinsamen Übernahme von Verantwortung gemahnt. „Wir dürfen niemals die Lehren aus den Schrecken von Krieg und Tyrannei vergessen“, sagte die Kronprinzessin am Sonntag im Bundestag bei der zentralen Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. „Es ist wichtig, unsere Kinder und Jugendlichen daran zu erinnern, dass aus den schwierigsten Erfahrungen eine Kraft zur Veränderung erwachsen kann.“ Dies sei eine Zeit wichtiger Entscheidungen und Prüfungen, aber auch von Chancen.
Die russische Invasion in der Ukraine bedrohe den Frieden auf dem gesamten Kontinent, erschüttere die „Grundfesten der Weltordnung“ und verursache unermessliches menschliches Leid, erklärte Victoria. Der Krieg erinnere an „die dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte“. Es sei jedoch „eine Quelle der Hoffnung, dass Regierungen und Völker im demokratischen Europa in einer schweren Zeit zusammenhalten“. Die deutsche Erfahrung zeige, „dass es möglich ist, selbst die dunkelste Vergangenheit zu überwinden.“
Hinzu kämen nun die Entwicklungen im Nahen Osten nach den Angriffen der Hamas auf israelische Zivilisten. Auch aus Gaza seien schreckliche Bilder mit großem menschlichen Leid zu sehen. „Der Schutz aller Zivilisten, sowohl in Israel als auch in Gaza, muss garantiert und das humanitäre Völkerrecht respektiert werden“, betonte Victoria. „Zu jeder Zeit, unter allen Umständen.“
In ihrer Rede betonte die Kronprinzessin auch die vielfältige und weit in der Geschichte zurückreichende Beziehung zwischen Deutschland und Schweden, die nicht immer friedlich war: „Daran sollten wir uns mit Demut erinnern.“
Der Zweite Weltkrieg habe Schweden veranlasst, sich von einem Großteil seines deutschen Erbes zu distanzieren. Doch seit die „demokratische und wiedervereinte Bundesrepublik zu einem Stabilitätsanker für die Europäische Union“ und Schweden Mitglied der EU wurde, seien wieder enge Beziehungen zwischen den beiden Ländern entstanden. Daraus ließen sich Lehren ziehen: „Wie Länder und Völker eine Nähe zueinander und an dieser Nähe wachsen können, wie wichtig der freie Fluss von Kultur und Ideen ist, und wie viel auch plötzlich verloren gehen kann“, sagte Victoria.
Kaum jemand wisse mehr über die Zerbrechlichkeit einer Zivilisation als das deutsche Volk, sagte die Kronprinzessin. „Kaum jemand kennt den Unterschied zwischen Frieden und Krieg, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen Hoffnung und Abgrund, zwischen Normalität und Katastrophe besser.“ Eine Erkenntnis der „deutschen Erfahrung“ sei, dass Frieden und Freiheit keine Naturgesetze sind. „Sie sind ein Gut, das zerbrechlicher ist, als wir denken“, betonte Victoria.
Heute sei Deutschland ein Land, „auf das wir Schweden blicken, wenn es um die gemeinsame Aufgabe geht, ein Europa des Friedens und der Freiheit zu errichten.“ Europa komme zusammen, um sich den Herausforderungen zu stellen, vor denen der Kontinent stehe. Zugleich müssten Fragen der Zukunft, etwa zum Klimaschutz, angegangen werden.
Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Jahr 1922 fand im Deutschen Reichstag in Berlin die erste offizielle Feierstunde zu einem Volkstrauertag statt. Die Initiative kam vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der einen Tag zur Erinnerung an die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges angeregt hatte. Inzwischen ist das Gedenken auch geprägt vom Blick auf gegenwärtige Konflikte und Kriege sowie dem Gedanken der Völkerverständigung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach im Bundestag das traditionelle Totengedenken. „Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg. An Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben. Der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft als Vertrieben und Flüchtlinge ihr Leben verloren“, sagte Steinmeier. Auch der Menschen, die in Deutschland Opfer von Terrorismus, Extremismus, Antisemitismus und Rassismus geworden sind, gedachte Steinmeier.