Hannover (epd). Nach Ansicht der früheren Leiterin des renommierten Mädchenchores Hannover, Gudrun Schröfel, ist es nie zu spät, um mit dem Singen zu beginnen. „Singen ist ein Mannschaftssport, der glücklich macht und Menschen zusammenführt“, sagte die emeritierte Professorin für Musikerziehung dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Und um gleich mit einer Mär aufzuräumen: Dass jemand nicht singen kann, das gibt es nicht.“
Gerade junge Menschen könnten profitieren, erläuterte Schröfel. „Mit der Heranführung an die Musik können sich ihre Interessen erweitern. Sie hören sich die Musik anderer an, gehen in Konzerte und eröffnen sich so neue Horizonte.“ Ganz nebenbei erhöhe sich die Konzentrationsfähigkeit.
Um schon Kinder für die Musik zu begeistern, seien Kitas und Schulen, aber auch die Eltern und Großeltern gefragt. „Früher gab es die schöne Tradition, Kinder in den Schlaf zu singen.“ Dass viele Eltern ihren Kindern nichts vorgesungen haben, hat laut Schröfel Theodor W. Ardorno (1903-1969) mitzuverantworten. Der Philosoph, der sich auch als Komponist betätigte, habe sich nach der NS-Zeit gegen das Singen gewandt, weil die Deutschen in dieser Zeit unreflektiert die Helden- und Kriegslieder der Nazis mitgesungen hätten.
Die Gesangspädagogin bedauerte, dass in den Kitas und Schulen derzeit weniger gesungen werde als in früheren Jahren. Die musikalische Ausbildung sei aus dem Lehrplan angehender Erzieherinnen und Erzieher weitgehend verschwunden. Dabei seien oft sie es, die musikalische Interessen als erste wecken und Begabungen bemerken könnten.
Jugendliche erst in der Pubertät für das Singen gewinnen zu wollen, sei hingegen schwierig. „In diesem speziellen Alter wird das Singen oft als peinlich empfunden“, sagte sie. Später fehle oft der Mut oder der Anreiz. Dabei gebe es viele Projekt- und Jugendchöre, die sich beispielsweise auf Gospel-, Pop- oder Jazzmusik spezialisierten.
Stimmliche Grenzen im Alter werden Schröfel zufolge überbewertet. „Männer haben zwar den Vorteil, dass sie in ihrer Sprechlage singen können. Frauen dagegen singen meist eine Oktave über ihrer Sprechstimme.“ Bei Seniorenchören stehe der Spaßfaktor und die Gemeinschaft im Vordergrund. Es gebe etliche anspruchsvolle Werke der Chormusik, die auch im hohen Alter erreichbar seien, sagte die Musikerin.
Wer Lust habe zu singen, sollte diesem Gefühl nachgehen, betonte Schröfel. In den meisten Kirchengemeinden gebe es Chöre und Singkreise. Außerdem seien auf den Internetseiten der Landeschorverbände viele weltliche Chöre zu finden. Zudem biete der Arbeitskreis Musik in der Jugend e.V. bundesweit Kurse für Kinder und Jugendliche, für Erwachsene und ganze Familien sowie Chorleitende an. „Einfach mal hingehen und mitsingen!“