Berlin (epd). Sogenannte Pull-Faktoren spielen laut Lukas Fuchs vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin kaum eine Rolle in der Flucht- und Armutsmigration. Solche Modelle taugten nicht, um die Komplexität von Migrationsbewegungen zu verstehen, sagte der Migrationsforscher dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Zuvor hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in einer Fernsehdebatte gesagt, man müsse „endlich mal“ über Pull-Faktoren in der Migration sprechen. Merz hatte behauptet, das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem sei ein wesentlicher Grund für Asylbewerber, nach Deutschland zu kommen. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, hatte er gesagt.
Fuchs nannte es „geradezu infam“, zu unterstellen, dass Menschen ihre Heimat verließen, um sich in Deutschland die Zähne machen zu lassen. Die Wissenschaft wisse mittlerweile, dass Migrationsbestrebungen sich vornehmlich in Herkunftsländern formierten. Dabei spielten Sicherheit, politisches Klima und wirtschaftliche Perspektiven sowie zunehmend der Einfluss der Erderwärmung eine Rolle. „Also Push-Faktoren, wenn man so will“, sagte Fuchs. Der Begriff „Push-Faktor“ unterstellt aber eine zu große Passivität von Menschen, genau wie der des „Pull-Faktors“. Man könne diese binären Push-Pull-Modelle nicht so ohne Weiteres verwenden.
Bei Migrationsbewegungen spielten Möglichkeiten und Zwänge eine Rolle, und zwar eine Balance zwischen beiden. „Je größer der Zwang, die Heimat zu verlassen - durch Krieg, Vertreibung oder Katastrophen -, desto geringer ist die Rolle der erhofften Perspektiven“, erläuterte der Forscher.
Merz scheine es weniger darum zu gehen, die Gründe für Migration zu verstehen, sagte Fuchs. „Wenn man sich nur auf Pull-Faktoren zurückzieht und behauptet, das seien die entscheidenden Gründe und die können wir steuern und beeinflussen, dann ist das attraktiv für eine populistisch simple Lösung für ein komplexes Problem“, erklärte er. „Und ich fürchte, die CDU bewegt sich in diesem Diskurs immer weiter in diese Richtung.“